Bei der Veröffentlichung haben wir den Text leider nur überflogen und jetzt dank dem Magazin Swing haben wir ihn nochmal gelesen und erst jetzt die Schlagkraft des Textes verstanden. Gerade da ab Montag (5.12.) die ersten (Klima-)Besetzungen gerodet werden sollen(@leinenmarschenbleibt) und auch für uns die heiße Phase jetzt beginnt, wo doch der Staat nun alles für den großen Schlag Anfang Januar vorbereitet und vor allem gerade auf Spaltung der Bewegung und einer Vorbereitung dieser hinarbeitet.
Alle Versuche wurden in den letzten Monaten/Jahren getätigt und sind, wie zu erwarten war, gescheitert. Dann kommt wohl doch das, was wir schon lange propagieren: die Verteidigung der Revolution ist Handarbeit und findet nicht in Parlamenten, Gesprächen oder social media statt, sondern mittels diversity of tactics im Rheinland, Heibo und Hannover.
Und wenn wir uns darauf einstellen und entsprechend vorbereiten, sind wir der Gewalt die auf uns zu rollt nicht hilflos ausgesetzt. Wenn wir ihr uns bewusst stellen, dann sind wir auch in der Lage ihr zu trotzen und Auseinandersetzungen zu gewinnen.
Stellen wir uns ihnen entgegen, auf unseren Spielfeldern.
PS: Checkt auch die weiterführende Texte unten.
Gefühle und Gedanken niedergeschrieben, damit wir alle ein kleines bisschen mehr Kraft haben die bittere Gesamtscheiße nicht länger zu ertragen, sondern voller Mut zu zerschlagen.
Ende Gelände 2022, hunderte Menschen wandern mit irgendetwas gefüllt, vielleicht Wut, vielleicht Aufregung, vielleicht ist auch nichts gefüllt außer ein paar Rucksäcken, Richtung Hamburger Hafen Logistik. Spannung hängt in der Luft, denn bald gibt es auf die Fresse. Dit wissen alle hier. Zumindest können dies die Vorausdenkenden unter uns erahnen, denn wer „relevante Infrastruktur“ blockieren will, der legt sich mit dem Staat auf eine Art und Weise an, die der Staat nicht witzig findet. Später wird gesagt, dass wir alle nicht damit gerechnet haben, jedoch müssen wir uns eingestehen, dass wir es die ganze Zeit hätten wissen müssen. Jedes Jahr wurden Menschen im Finger von Ende Gelände vom Staat und seinen bewaffneten Gangs misshandelt. Es ist immer nur die Frage wen es trifft, wann und wie hart.
Dieses Mal trifft es uns mit Giftgas in den Augen, sodass wir schreien und glauben wir würden nie wieder sehen können. Zum Glück haben wir die Bilder von unseren Liebsten im Gedächtnis, welche uns Kraft geben, doch was bringt uns das, wenn unsere ganze Aufmerksamkeit nur noch den Schmerzen gilt. Unsere Arme und alle anderen freien Hautstellen brennen wie Feuer. Wenn wir unsere Augen später wieder aufmachen können, sind wir hoffentlich nicht komplett verbrannt, denn es fühlt sich tatsächlich so an als ob unsere Körper in Flammen stehen. Außerdem bluten unsere Gesichter, da wir blöderweise ohne Helm in eine Massenschlägerei spaziert sind. Unsere Rippen schmerzen höllisch. Wir können nur hoffen, dass sie nicht gebrochen sind. Kurz nachdem wir rausfinden, dass von den Cops nicht nur Pfefferspray auf uns geschossen wurde, sondern eine Mischung Reizgas, welche durch Wasser schlimmer wird, fahren die Arschlöcher die Wasserwerfer*innen auf. Unsere Psyche wird gebrochen und die Schmerzen knallen richtig rein, so heftig, dass einem schwindelig und übel wird. Die ganze Situation erinnert an Massenschlägereien von Fußball Hooligans bei denen sich zwei Gruppen treffen und ordentlich die Rübe einhauen. Sie verabreden sich, genau wie wir, für eine riesige Schlägereiparty. Aus irgendeinem Grund haben wir nur leider vergessen, dass wir uns für die Aufsdiefresseparty verabredet hatten. Eigentlich wollen wir hier auch niemanden verprügeln und doch sind wir mit den Cops hier zusammen gekommen und jetzt lassen wir uns, so wie es das Drehbuch vorgibt, mal so richtig misshandeln, bis auf die Knochen fertig machen… Scheiße ey, das kann doch nicht unser Ernst sein. Und als wäre das nicht alles bescheuert genug müssen wir feststellen, dass wir einen Hafen blockieren, der im Streik ist. Die Arbeiter*innen, welche am Wochenende immer freiwillig arbeiteten, melden sich seit Wochen einfach nicht zur Arbeit (Probs), wodurch in der Elbmündung 25 Schiffe warten und bereits notversorgt werden müssen, weil der Hamburger Hafen aktuell komplett überfordert ist. An dem Tag unserer Besetzung wäre also so oder so kein einziges Schiff unter der Brücke durchgefahren.
Die ganze Aktion war also wie zu oft rein symbolisch. Der einzige Erfolg ist dementsprechend, dass evtl. gute Pressebilder/-Artikel entstanden sind. Leider bringt aber auch das nicht wirklich viel auf dem Weg zur LNG freien Welt, weil Pressebilder und Artikel nicht ausreichend dazu beitragen können, dass Menschen in Machtpositionen aufhören LNG oder andere Scheiße zu importieren oder exportieren, geschweige denn den Kapitalismus beenden. Damit dies geschieht müssen wir, also alle die wissen wie scheiße die Gesamtscheiße ist, den Weg des ‚Pressebilder Erzeugen’ verlassen und uns darauf fokussieren in der realen Welt Taten auszuüben, die wirklich etwas verändern. Diskurse in der Presse sind nett, mögen uns Aktionist*innen schmeicheln und lassen uns im besten Fall mit dem, was wir tun, gut fühlen. Jedoch sind diese Diskurse keine physische Veränderung in der realen Welt. Das einzige, was sie können ist Informationen zu vermitteln. Aber ist die Welt wirklich in diesem Zustand, weil es nicht genügend Informationen darüber gibt wie Scheiße die Klimakrise ist? Oder liegt es nicht eher daran, dass es niemanden in Machtpositionen juckt wie viele Menschen über Klimakrise, Kapitalismus und Kolonialismus informiert sind? Es braucht mehr Direkte Aktion, welche wirklich Zerstörung stoppt und keine weitere symbolische Aktion für einen Diskurs, welcher nur in unseren Köpfen stattfindet.
Während sich nun die Wunden geleckt werden und darüber gefreut wird, dass Ende Gelände seine Aktionsziele erreicht hat, hat sich nichts an der realen Zerstörung unserer Mutter Erde und Ausbeutung der Menschen verändert. Das einzige, das sich real verändert hat sind unsere Körper, aufgrund der Gewalt die uns die Menschen ohne Menschlichkeit in Uniform angetan haben, sowohl physisch als auch psychisch. Dementsprechend können ich und meine Bezugsgruppe nicht fassen wie dumm wir uns hier vorkommen. Wir haben uns hier bei Ende Gelände im nagellosen Lila Finger (2) die heftigsten Schmerzen die wir je hatten zufügen lassen, damit wir 3 Stunden auf ner Straße rumsitzen, welche nichts blockiert und belügen uns selber indem wir die Aktion als super Erfolg verkaufen. What the heck. Dies war eine krasse Niederlage. Wenn wir nichtmal das sehen, werden wir niemals sehen können welche Schritte notwendig sind, damit wir eine Klimagerechte Welt erkämpfen die wir uns wünschen. Es wirkt auf uns noch mehr wie ein harter Rückschlag, denn all die Zeit, die Menschen in Ende Gelände und das Systemchange Camp rein gesteckt haben ist zu betrauern. Auch wenn wir all die Energie wertschätzen möchten und uns bei allen für all die harten Stunden Arbeit bedanken wollen. Es tickt eine Methane Climate bomb, jede Minute wird dieses System tödlicher und unumkehrbare Kipppunkte sind vor unserer Nasenspitze. Wir fragen uns aufrichtig mit Schmerzen im Herzen, was wohl 3000 Menschen, welche gezielter organisiert wären, hätten schaffen können, um den fossilen Kapitalismus und (Neo-)Kolonialismus im Hamburger Hafen und darüber hinaus nachhaltig zu sabotieren und damit zu schädigen?
Der Grüne Finger (3), mit angespitzten Fingernägeln ist sicherlich ein guter Anfang, ein verdammt guter Start, weil ca. 300 Menschen, die ungestört auf einer Baustelle werkeln können und nach 6 Stunden getaner Arbeit mit dem Soli-Bus nach Hause tuckern, ist einfach nur der absolute Oberhammer, welcher Bewunderung verdient. Leider ist dies keine Methode, welche Kleingruppen täglich oder zumindest regelmäßig einfach organisieren können. Wie wäre es allerdings mit weniger als 100 Menschen los zu ziehen und die Sabotage an der Zerstörung dieser Welt zum alltäglichen Modus zu machen. Selbst 1, 2, 5, 10, 20, 30 oder 40 Menschen können eine Baustelle, oder eine in betrieb genommene tödliche Industrie langfristig lahmlegen. Schauen wir zum Beispiel über den Atlantischen Ozean nach Kanada, wo im Kampf der Wet’suwet’en gegen das Coastal GasLink (CGL) Pipelineprojekt eine Baustelle nachhaltig zerstört wurde (1). Wir sind nicht ohnmächtig, sondern mit etwas mehr Mut und Cleverness, haben wir alle Macht der Welt uns dem mörderischen System entgegenzustemmen.
Darüberhinaus ist zu betonen, dass wir natürlich nicht wissen was genau der richtige Weg ist. Vielleicht ist es genau richtig, dass wir uns jedes mal wieder möglichst crazy Polizeigewalt geben und machtlos über uns ergehen lassen. Wie wäre es, wenn wir nächstes Mal alle mit gebrochenen Rippen und Beinen im Krankenhaus liegen? Vielleicht wäre dies der Durchbruch auf dem Weg zur Revolution, da unsere Mütter, Väter und alle anderen Menschen, die uns lieben, daraufhin aufbegehren und die Zäune und Maschinen der Orte des Verbrechens an der Menschheit und Mutter Erde niederreißen. Leider zeigt die Erfahrung der letzten Jahre nicht, dass Menschen Anteilnahme an unserem persönlichen Leiden nehmen und daraufhin selber aktiv werden. Unsere Eltern sind mehr oder weniger desinteressiert, sie haben uns im Stich gelassen. Unsere Freund*innen von früher studieren, machen Ausbildungen oder gehen der Lohnarbeit nach als wäre alles ganz normal und wir bloß „etwas duschgeknallt“. Noch desinteressierter ist der Rest der Menschen. Dementsprechend kann der Weg des: „auf Empathie der anderen hoffen, bis wir eine Mengenbewegung sind“, vergessen werden. Diese Geschichte glauben nur noch jene die sich selbst belügen, oder den Lügen von Erica Chenoweth glauben. Lest gerne Peter Gelderloos (4) „Wie Gewaltfreiheit den Staat schützt“ und recherchiert selber. Lass euch vom Text „Der Zahnlose Tiger“ (5) inspirieren und lasst uns neue Wege finden. Lasst euch von vergangenem Widerstand inspirieren und vom Widerstand, der aktuell weltweit passiert. Von Hong Kong über Myanmar und Rojava weiter bis ins Niger Delta und zu den Zapatista, Yukpa, Mapuche, bis hoch in den Norden zu den Wet’suwet’en, Standing Rock und vielen weiteren wiederständigen Kräften an unzähligen Orten auf dieser Welt.
Unser Bauchgefühl erzählt uns eine neue Geschichte. Es grummelt tief in uns. Schmerzen verbündeln sich im Magen und verwandeln sich in Trauma, sodass wir auch Verletzungen und Stress verspüren, noch lange nachdem die vom Reizgas der Cops brennenden Arme, Beine und Augen wieder erloschen sind. Diese Gefühle werden vom tiefsten Inneren unserer Körper an die Oberfläche getragen. Wir verspüren am ganzen Körper ein Kribbeln mit dem Wissen, dass wenn wir uns umdrehen und den bisher gegangenen Weg verlassen, neue, ungekannte, oder lange vergessene Wege vor uns liegen, welche die Wege des Triumphes sind. Wir sind uns sicher, dass es Wege geben muss, die zu unserem Ziel führen, auch wenn wir sie noch nicht gefunden haben. Sie muss es geben, denn auch andere Menschen haben in der Vergangenheit und Gegenwart Wege beschritten, die zu Veränderungen oder sogar zur Revolution geführt haben und nicht nur zu gebrochenen Rippen. Lasst uns den Grünen Finger feiern und in der Nacht in kleinen Banden daran anknüpfen.
Wir schicken euch die Kraft die ihr braucht und den Mut den ihr sucht.
Love and Riot,
Einige Unbekannte die mit euch kämpfen
- https://zuendlappen.noblogs.org/post/2022/02/17/wetsuweten-territorium-kanada-baustelle-der-coastal-gaslink-pipeline-verwuestet/
- Youtube: Haben Klima-Aktivisten Pfefferspray gegen Polizisten benutzt? (NEIN) Ende Gelände 2022 Teil 2
- Youtube: Sabotage gegen LNG Terminals? Ende Gelände 2022
- https://black-mosquito.org/de/peter-gelderloos-wie-gewaltfreiheit-den-staat-schutzt.html
- https://hambacherforst.org/blog/2022/02/08/der-zahnlose-tiger-gedanken-zur-aktionsform-der-menschlichen-blockade/