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Aufarbeitung der Auseinandersetzungen am 24.2. und unserem Text dazu

Anarchists in Lützerath Collective – 10.6.22
Wir sprechen nicht für alle Anarchist*innen in Lützerath oder die ganze Besetzung, wir sind ein kleiner Zusammenschluss von Menschen aus der ZAD Rheinland.

 

 

Text als PDF: Reflektion-24-2


Inhalt:

  1. Vorwort
  2. Reflektion
  3. Analyse vom 24.2. und den Tagen danach
  4. Umgang mit staatlicher Gewalt und der „Militanz-Debatte“

 

1. Vorwort

Es sind nun einige Wochen nach dem Angriff der Cops am 24.2.22. vergangen, die Lage hat sich etwas beruhigt in Lützerath. Die Sonne wärmt uns und der Frühling hat Lützerath neu aufleben lassen. Die Menschen haben versucht das Erlebte aufzuarbeiten und zu reflektieren. Derweil entstehen an allen Ortseingängen in Lützerath wieder die Barrikaden, welche die Cops zerstört haben und es wird fleißig weiter gebaut. Die ZAD1 Rheinland wächst und gedeiht und das nicht nur auf dem gemeinschaftlichem Acker. Viele Diskussionen zu unserem Text und dem Angriff der Cops um dem Dumherum wurden geführt, einige leider auf einer sehr emotionen und uncoolen Ebene. Mittlerweile hat sich vieles wieder beruhigt, daher sehen wir es als guten Zeitpunkt die Diskussion von unserer Seite fortzuführen und auch über Fehler zu sprechen, die wir gemacht haben.

Uns haben einige Zusprüche, aber auch Widersprüche, Wut und kritische Meinungen erreicht zu unserem Text „Angriff auf Lützerath am 24.2.22 und was nun folgen muss“ vom 25.2. Wir wollen auf einige Punkte eingehen und euch einladen weiterhin mit uns ins Gespräch zu kommen. Schreibt uns dazu eine Mail an Anarchists_luetzerath@riseup.net

Uns ist es nochmal wichtig zu sagen das wir nicht alle Menschen, die sich als Anarchist*innen bezeichnen, in Lützerath repräsentieren. Hier gibt es viele verschiedene Strömungen und Meinungen und das ist auch gut so. Wir sind eine kleine lose Gruppe, die sich auf Lützerath als Zuhause bezieht und hier schon mehrere Monate wohnt und aktiv ist, sowie auch unterschiedliche Meinungen zu Dingen hat.
Es ist uns wichtig in einen Austausch miteinander zu kommen und unsere verschiedensten Arbeiten wertzuschätzen und zusammen zu bringen.

 

2. Reflektion

Einer der wichtigsten Kritikpunkte für uns war die der Instrumentalisierung von Hanau von weißen Menschen. Der Satz um den es ging war dieser:

Dazu kam noch, dass sich am Samstag der rechtsextreme Anschlag in Hanau zum zweiten mal jährte. (Solidarität mit allen BIPoC! – Feuer und Flamme dem rassistischem System!)

Diese Kritik nehmen wir an und uns tut unser unsolidarischer und unglaublich verletzender Umgang damit sehr leid. Als weiße Menschen können wir die Ungerechtigkeit in dem rassistischen System und die Polizeigewalt zwar sehen, aber können uns nicht anmaßen die Emotionen nach zuempfinden. Das ist rassistisch und übergriffig, da weiße Menschen nicht persönlich nachvollziehen können was Hanau bei von Rassismus Betroffenen für Schmerz auslöst. Wir wollten darstellen, was uns in den Tagen davor beschäftigt hat und da ist der zweite Jahrestag des Anschlags in Hanau ein Teil davon gewesen, da es ja zum Beispiel auch in Lützi ein Programm zum Thema Hanau, NSU und migrantischem Widerstand gab. Hanau zu erwähnen sollte nicht dazu dienen einen Grund für Gewalt zu liefern.

Gleichzeitig ist es nicht solidarisch, zu sagen, dass mensch solidarisch sei, aber dann Kämpfe von denen du kein Teil bist zu instrumentalisieren.

An dieser Stellen wollen wir explizit FLINTA*s und BIPoC einladen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir wollen die Kämpfe mit euch als Geschwister führen und miteinander leben!

Auch an dieser Stelle wirkt es so, als würden wir uns nur gerne antirassistisch darstellen. FLINTA2 und BIPoC3 werden als Aushängeschild genutzt, wie solidarisch wir seien, während das in der Praxis oft nicht klappt, da es nicht alle wichtig finden sich mit konkreten Unterdrückungsformen zu beschäftigen. Sich mit (dem eigenen) Rassismus, Sexismus und anderen Diskriminierungen zu beschäftigen, machen Nicht-Betroffene oft so, dass in der Praxis wieder Diskriminierungen reproduziert werden. Die Grundlage, nämlich der Wunsch nach einem herrschaftsfreien Leben, wäre da. Aber sich mit Diskriminierung zu beschäftigen wird oft als Nebenprodukt zu „unserem eigentlichen Kampf“ betrachtet. Anstatt die Wichtigkeit einzelner Kämpfe anzuerkennen, werden sie gegenüber den Kämpfen die auch weiße endo cis Männer betreffen untergeordnet. Wir haben das auch selbst bei uns gemerkt, dass es nicht reicht, etwas in der Theorie zu wissen. Anti-Rasissmus bedeutet auch sich selbst gegenüber kritisch zu sein und danach zu handeln.

Solche Sätze wirken aber auch unterschiedlich je nachdem wer das geschrieben hat. Wir sind teilweise auch FLINTA*-Personen und natürlich wollen wir andere FLINTA* dann auch herzlich einladen! Als ausschließlich weiße Menschen können wir das aber nicht so für BIPoC tun.

Wir befinden uns aktuell in einem laufenden Prozess um uns weiter mit dieser Kritik zu beschäftigen.

Ein weiterer Satz an dem sich Menschen gestört haben war wie über Mackertum und sexualisierte Gewalt geredet wurde.

(Ja, wir meinen euch beide, ihr scheiß übergriffigen Macker! Wagt euch her und ihr werdet nirgendwo mehr hingehen!).

Diese Aussage wurde von Menschen als Morddrohung verstanden. Das war absolut nicht unsere Absicht. Macker und übergriffige Personen sollen einfach keinen Platz in Lützerath haben und es sich hier nicht bequem machen können. Betroffene Personen sollen sich auch bestärkt fühlen, sich gegen sexualisierte Gewalt zu wehren. Die Aussage widerspricht der Awareness-Arbeit, vor dem Hintergrund eines Falles von sexualisierter Gewalt. Und hat in einem Fall zu erheblichen Problemen geführt. Das war unabgesprochen, unüberlegt und scheiße! Dafür wollen wir uns entschuldigen.

Auch wurde die Art, wie wir über Cops und Aktionen von Aktivist*innen gesprochen haben und Gewalt gegen Cops für gut befunden haben kritisiert.
Die Gründe für starke negative Emotionen gegenüber Cops sind sehr vielfältig. Menschen haben viele gewaltvolle Erfahrungen trotz „friedlichem“ Protest6 erfahren, haben Sexismus und Diskriminierung erfahren. Und auch Misshandlungen und Demütigungen in der Gesa7 oder Knast haben bei Menschen Spuren hinterlassen. Das löst bei der Konfrontation mit den Cops Gefühle wie Angst oder Wut aus. Dazu kommt die Situation in Lützerath, die von viel Ohnmachtsgefühlen und Frustration aus den letzten Monaten geprägt ist.

In verschiedenen Debatten, ob am Lagerfeuer oder im Plenum, wurde öfter gesagt, dass wir nicht-militante Aktionsformen abwerten würden. Wir wollen das mit unseren Texten nicht ausdrücken. Die ganze Debatte wurde aber auch sehr emotional geführt, dass sich auch Fronten verhärtet haben und Menschen sich bewusst nicht wertgeschätzt haben. Wir können uns nicht für Beiträge oder Stimmungen andere Menschen entschuldigen, die nur für sich selber gesprochen haben.

Wir schätzen alle Aktionsformen und sehen, wie wichtig diese im gesamten Kontext der ZAD Rheinland sind. Wir persönlich haben unsere Beiträge nicht so aufgefasst, das andere Aktionsformen abseits von Militanz schlecht sind. Im Gegenteil, jede Aktionsform stützt die andere. So können manche Militante Aktionen nur stattfinden weil Cops an anderer Stelle mit anderen Aktionsformen beschäftigt sind und beispielsweise gar nicht dort hinkommen wo sie hin wollen. So kann die Verteidigung der ZAD Rheinland mit verschiedenen Aktionsformen aufeinander aufbauen.

Wir müssen Wege finden diversity of tactics8 zu leben und alle Aktionsformen zusammen zu bringen. Das ist unsere Stärke. Wenn wir gemeinsam auftreten, macht das den Cops und dem Staat Angst. Es ist bekannt, dass gezielt versucht wird, soziale Bewegungen und Aufstände zu spalten, indem radikale Elemente von den „sozial akzeptablen“ Teilen isoliert und verurteilt werden. Wir können hier nur gemeinsam in Zusammenarbeit gewinnen. Dazu müssen wir anfangen auf Augenhöhe zusammen zu wachsen und Pläne zu schmieden.

Es wurde an uns heran getragen, dass dieser Text Gewalt verherrlichen würde. Das war nicht unsere Absicht. In früheren Texten haben wir geschrieben:

Dabei dürfen wir aber nicht in eine Romantisierung von Militanz verfallen. Diese muss gezielt und sinnvoll eingesetzt werden, dafür aber konsequent. Dabei ist auch noch zu sagen, dass wir Militanz nicht als Mittel zur Profilierung sehen und diese kritisch auf toxische Männlichkeit hinterfragen sollten.7

Wir wollen in einer Welt leben, in der keine Gewalt herrscht. Wir sehen nicht die Möglichkeit, dass die tagtägliche krasse Gewalt, die von dieser Welt ausgeht, nur durch friedliches Verhalten aufgehalten werden kann. Leider heißt das auch, dass militante Aktionen manchmal notwendig sind. Aktuell stehen wir immer noch einem zerstörerischen, herrschaftlichen System gegenüber, in Form von dem Milliarden (teils staatlichem) Konzern RWE, welcher geschützt durch die Staatsgewalt in Form von Polizei, die Natur ausbeutet. Die Gewalt geht dabei auch von der Polizei aus, die das System nicht nur schützt, sondern auch gewaltvoll durchsetzt. Hier geht die ursprüngliche Gewalt aus. Die Welt, von der wir träumen, können wir uns nur erkämpfen und das bedeutet leider auch immer wieder sich militant Räume zu erkämpfen und zu verteidigen.

Als am Donnerstagmorgen an der Bushaltestelle 30 Riot-Cops aufgetaucht sind, waren sie nicht zum Verhandeln gekommen, sondern haben sofort klar gemacht, dass sie alles tun werden, um die Aktivist*innen einzuschüchtern, sowie uns und unsere Strukturen anzugreifen. Im Laufe des Tages gab es auch immer wieder Menschen die mit den (Kommunikations-)Cops geredet haben. Die „Absprachen“, die dort getroffen wurden, wurden immer wieder von den Cops übergangen. Auch das hat dazu geführt, dass Menschen den Cops nicht getraut haben, was sich für uns auch noch nie als sinnvoll ergeben hat und die Menschen sich daher weiterhin verteidigt haben. Oft wurde in der Debatte gesagt, dass auf der „militanten Seite“ die Vorstellung herrscht, es bräuchte nur militante Aktionen damit Lützerath gerettet wird. Unsere Meinung nach ist das nicht so. Wir würden uns aber auch einen solidarischen Umgang mit militanten Aktionen wünschen und somit den Rückhalt spüren, den wir auch gerne nicht-militanten Aktionen geben. Denn oft werden militante Aktionen unsichtbar gemacht: zum Beispiel, dass nicht getickert wurde was genau an diesem Tag passiert ist oder nicht auf solidarische Weise von der Presse AG darauf reagiert wurde. Aber auch, dass dieser Widerstand vergessen wird, wenn Menschen als Beispiel behaupten, dass der Hambi oder Danni eine „friedliche“ Besetzung seien.

Nicht nur Anarchist*innen lehnen sich militant gegen die Cops auf. An diesem Tag hätten andere Anarchist*innen auch andere Aktionsformen gewählt. Sowie Menschen die sich nicht als Anarchist*innen bezeichen waren militant gegenüber den Cops. Anarchismus bedeutet nicht gleich militant sein! Anarchismus ist auch Carearbeit oder das Auseinandersetzen mit Diskriminierungen und Hierarchien, die wir alle noch fest in uns verinnerlicht haben. Militanz kann ein Teil von Anarchismus sein, muss es aber nicht für alle Menschen. Beides in einen Topf zu werfen bedient bloß das Klischee, dass Anarchist*innen nur gewaltbereite Chaot*innen sind.

Ein Kritikpunkt war wie wir einen Vergleich zwischen der ZAD Rheinland und Rojava gemacht hätten, dass dort andere Umstände vorhanden sind und mit Waffen gekämpft wird, was ja hier absolut unvorstellbar ist. Da ist uns nicht ganz klar woher diese Aussage kommt, da das Wort oder Thema Rojava nicht einmal in unserem Text vom 24.2. vorkommt. Eher wirkt es so als hätten Menschen einen anderen Text von uns zur Klimabewegung gelesen (siehe Link in den Fußnoten 4 und 9) und Verbindungen hergestellt die so gar nicht vorhanden sind.

Auch wie wir über Angst gesprochen haben und diese als Symbol für die Verhältnisse an dem Tag genutzt haben wurde kritisiert, beispielsweise in diesem Satz:

Die Angst hat an diesem Tag die Seiten gewechselt – das macht uns Hoffnung und gibt uns Kraft für die kommenden Kämpfe.

Es hat auf einige Menschen so gewirkt, als würden die Aktion Angst verbreiten wollen was sie grundsätzlich abgelehnt haben, es sei schlecht dass Cops Angst haben. Einige Menschen in Lützerath wollen nicht dass Angst ein Teil vom Aktivismus ist: „Wir wollen nicht dass die Cops oder andere Menschen Angst vor uns haben“

Der ganze Absatz wirkte auf Menschen gewaltverherrlichend und ignoriert, dass Menschen in Lützi auch Angst hatten vor den beteiligten militanten Aktivist*innen und das nicht nur die Polizei Angst hatte. Es wäre schön gewesen, diese Perspektive auch noch dabei zu haben und genau das anzuerkennen.
Weiterhin wurde kritisiert, dass die
Angst welche die Seiten gewechselt hat nur Copps als Individuum getroffen hat, was aber höhere Entscheidungsstrukturen des Staates nicht davon abgehalten hat den Einsatz weiter zu führen. Sowie, dass nur die Cops am Anfang Angst hatten, aber die danach hatten dann trotzdem die Mittel gewaltvoll zu sein und uns zurückzudrängen, sowie Strukturen zu zerstören.
Auch wurde angemerkt, dass
zu akzeptieren, dass in der Klimabewegung Angst ein ständiger Begleiter ist (Beispielsweise vor Klimawandel, Cops, Gewalt) und das dies auch sehr viele Emotionen bei Menschen hervorrufen kann.

Wir respektieren diese Gedanken und Gefühle, da jedes Individuum anders mit Emotionen umgeht. Und wollen an diese Stelle keinem Menschen Emotionen und Gefühle absprechen.

Unsere Perspektive sieht etwas anders aus, dass mag an Erfahrung oder Zielen liegen. Oder daran welche Prozesse wir schon gemacht haben, welche für andere noch völlig unbekannt sind.
Für uns war diese Angst von Cops angegriffen zu werden ein Motivator aktiv zu werden un
d sich zu wehren, denn Angst kann auch Energie geben. Als Menschen gemerkt haben, dass die Angst in diesem Moment die Seiten gewechselt hat, haben Menschen sich in der Aktion bestärkt gefühlt. Und dies hat gezeigt, dass der Staat und die Polizei verwundbar sind und Angst haben können, wir wollen nicht akzeptieren dass wir nichts gegen den Staat tun können und in der Angst versinken, sodass wir durch jeden Streife oder Wanne eingeschüchtert sind. Wir sind wesentlich stärker als Gemeinschaft wie wir oft denken und das konnte an diesem Morgen gut beobachtet werden. Die viel herauf beschworene Phrase „Polizei abschaffen“ können wir nur umsetzen wenn wir die Polizei unnötig und wirkungslos machen und letzteres haben wir teilweise an diesem Morgen erreicht. Ersteres lässt sich nur durch den langen und kontinuierlichen Aufbau von Strukturen in unserer Gemeinschaft, abseits von Aktionen, erreichen.

Für uns sind die Cops nich nur Angestellte oder „auch nur Menschen“. Sie verkörpern eine Institution den täglich Gewalt, Rassismus, Sexismus zu uns und vielen unterdrückten Menschen bringt. Wer sich entscheidet bei der Polizei zu arbeiten, der entscheidet sich auch dieses zerstörerische, toxische System aufrecht zu erhalten und uns, die es abschaffen wollen, anzugreifen und als Feinde zu sehen.

Rückblickend ist der Tag nur teilweise erfolgreich gewesen, denn jede Aktion die Verhaftungen oder Traumata bei Menschen hinterlässt kann nicht erfolgreich sein. Wir müssen mit einander lernen wie wir traumatische Erlebnisse und Verhaftungen verhindern können, sodass wir alle gestärkt aus Aktion heraus gehen. Soweit wir es konnten haben wir uns um Menschen gekümmert denen es am Ende des Tages nicht gut, wobei wir natürlich nicht alles auffangen konnten.

Meldet euch wenn ihr über das erlebte Sprechen wollt oder immer noch Schwierigkeiten habt es zu verarbeiten.

3. Analyse vom 24.2. und den Tagen danach

Die Community in Lützerath hat es seit Monaten verpasst sich zu organisieren und Pläne für solche Angriffe der Cops zu finden. Trotz anstehender möglicher Räumungsversuche gab es fast keine Auseinandersetzung, wie es aussehen kann, wenn Cops hier mit vielen Truppen und Geräten auftauchen. Es ist bis heute unklar was die Strategien sind. Viel zu spät haben wir überhaupt angefangen darüber zu reden was sich hier in Lützerath alles anbietet. Möglichkeiten für Notfall-Pläne für Polizeieinsätze sind im Sande verlaufen und auch in den Bezugsgruppen wurde nicht richtig darüber geredet. Nur wenige Menschen haben sich Gedanken dazu gemacht, wie es möglich ist Lützerath zu verteidigen. Immerhin stellen wir uns als eine ZAD gegen Milliardenkonzerne und den Staat.


Als Menschen angefangen haben feste Barrikaden zu bauen, einige Zeit vor dem Angriff der Cops, wurden sie dafür kritisiert, dass sie das Dorf unschön machen würden und deswegen der Gerichtsprozess negativ ausgehen könnte. Jetzt wo wir einen ernsthaften Angriff der Cops erlebt haben, haben wir gesehen, dass es diese festen Barrikaden braucht, um sich zu verteidigen, egal welche Form der Verteidigung Menschen bevorzugen. Und wieso verlassen wir uns eigentlich auf die Legitimität des Staates in Form von Gerichtsentscheidungen? Der Staat ist niemals auf unserer Seite!4

Was an dem Tag leider nicht geklappt hat, waren Tripods, den Südstern oder andere Stellen zu besetzen oder zublockieren. Dazu kommt, dass die Cops durchs Dorf laufen konnten ohne dass sie daran irgendwie gehindert wurden, was möglich gewesen wäre. Das waren Situationen wo Menschen andere Aktionsformen hätten ausführen könne, was wir natürlich sehr begrüßt und unterstützt hätten.

Den Menschen aus den besetzten Häusern5 und bestimmt auch vielen anderen im Dorf ist es wichtig in solchen Situationen Sicherheiten zu haben, denn es war den Tag über nie klar wie weit die Cops gehen, ob sie „nur“ die Barrikaden an den Dorfeingängen zerstören oder auch mehr Strukturen angreifen. Die besetzten Häuser sind zu jeder Zeit räumungsbedroht, daher leben die Menschen dort mit ein Stresspegel, welchen andere Menschen an anderen Stellen, an denen sie leben, vielleicht nicht haben, da das Camp zum Beispiel noch Eckard gehört und somit geduldet ist. So ist es verständlich, wenn Menschen nicht auf Gesprächsergebnisse mit den Cops warten, während die Cops immer weiter ins Dorf vorrücken. Und es eh klar sein dürfte, nach jahrelanger Erfahrung in solchen oder ähnlichen Situationen, dass die Cops nicht kommen um uns nach Erlaubnis zu fragen.

Es sind leider immer wieder die „vermummten Menschen“ im Camp, die sich bei solchen Debatten für Militanz rechtfertigen müssen oder allein schon als die militante Masse gesehen werden. Vor allem in den Tagen nach dem 24.2. ist aufgefallen, dass oft auf solche Menschen zugegangen wird, in der Erwartung, diese sei Teil einer festen Gruppe und in der Lage darüber aufzuklären, wer nun für was verantwortlich ist. Dabei ist Vermummung nicht gleich Militanz! So ist Vermummung im Dorf und in Aktionen ein Mittel um die eigene Identität zu schützen und somit der Versuch Repressionen zu entgehen. Und tatsächlich wäre es zum Schutz alle besser wenn sich alle, auch abseits von Aktionen, vermummen. Menschen vor Repressionen zu schützen liegt doch in unser aller Interesse oder ?
Auch gibt es keine Personen bei solchen oder anderen Aktion, welche die Verantwortung tragen. Es hat sich am 24.4. um eine autonome Aktion gehandelt, in der alle selbständig und eigenverantwortlich gehandelt haben. Ob und inwiefern das eigene individuelle Handeln gut war liegt dann an der Redelektion der Person und ihrer Bezugsgruppe.

Das Vorgehen bis jetzt in Lützerath bei solchen Debatten gehandhabt wurde; sich in großen Plena zu treffen, bei denen meist nicht auf Sicherheitsbedürfnisse geachtet wird, ist auch zu hinterfragen. So ist auch ein Unterschied, ob mensch öffentlich in Plena sagt, dass mensch für zivilen Ungehorsam ist oder auch militante Aktionen gut findet oder sogar ausführt – es ist einfach ein höheres Repressionsrisiko, dass es auch wieder schwer macht, öffentlich über diese Dinge zu reden. Zum Beispiel kann Solidarität mit militanten Aktionen auch bedeuten, sich in großen öffentlichen Plena zu vermummen damit alle freier sprechen können und Menschen nicht wegen ihrer Kleidung in verschiedene Meinungsgruppen eingeordnet werden können. Das könnte einen lebhafteren und auf Augenhöhe stattfindenden Diskurs ermöglichen.

Die ganze Diskussion hat bei einigen Menschen auch Ängste ausgelöst dass sie keinen Rückhalt und keine Solidarität bei militanten Aktionen bekommen. Sodass diese beim nächsten Mal vielleicht eher auf eigene Faust agieren, statt Aktionen mit dem Dorf zu besprechen, da die Wahrscheinlichkeit gering ist Rückhalt zu erfahren, sondern eher kritisiert zu werden.
Jedes Mal da zu stehen und sich für seine Meinung rechtfertigen zu müssen, in einem Raum, der sich nicht sicher anfühlt und leider auch sehr emotional aufgeladen ist, ist anstrengend und zermürbend. Wir würden uns wünschen diesen Austausch nicht auf Personen lasten zu lassen, die es schaffen sich mit ihrem „Gesicht“ hinzustellen. Gleichzeitig können auch nicht alle Menschen vor großen Gruppen reden und es macht Diskussionen und Rückfragen bei so einem emotionalen Thema nochmal schwieriger. Lasst uns überlegt und auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, anstatt unsere Meinung als die Stärkste im Plenum „durch zuboxen“.

Wie es sich vielleicht schon raus lesen lässt war der Diskurs alles andere als gut an den Tagen nach der Verteidigung des Dorfes. Es gab eine Schlammschacht um die Meinungshoheit und wer die stärkste oder verurteilendste Meinung hatte schien scheinbar einen Preis zu gewinnen. So wurde falsche Behauptungen aufgestellt und Leute, auch wenn sie nicht persönlich bekannt waren, scharf angegangen, dass war sehr belastend – für alle. Es wurde der Fehler gemacht voller Emotionen in großen Plena sich unüberlegte Meinungen an den Kopf zu werfen.
Wir brauchen eine bessere Diskussionkultur, die auch Fehler zu lässt und sich mehr Zeit nimmt. Und wir brauchen dabei mehrere Menschen die versuchen neutral zu bleiben und eine ruhige Moderation von Diskussionen schaffen. Ein Vorschlag wäre es bei so etwas sich erst einmal in Ruhe mit der Bezugsgruppe oder dem Barrio zusammen zusetzen und sich auszutauschen. Ohne dabei feste Meinungen entwickeln zu müssen, um diese dann im Dorf zu vertreten. Sondern um sich mit den Menschen, die wir gut kennen und besser einschätzen können, erst einmal emotional und informell auszutauschen. Danach kann der Diskurs in Plena, Podcasts, Flyern oder Texten geführt werden. Und das möglichst so das er zugänglich und barrierefrei ist.

Gewalt, wie es so schön genannt wird, ist nicht immer eine Lösung und Militanz auch nicht für alle die gewählte Aktionsform, sowie nicht immer die für den Moment beste Aktionsform. Und was an diesem Tag passiert ist, ist auch nicht für alle eine angenehme Situation gewesen und Menschen wurden davon hart getroffen, sowohl emotional als auch körperlich. Wir müssen uns austauschen, über unsere Wahrnehmungen und Emotionen diesbezüglich sprechen, um in Zukunft die ZAD Rheinland gemeinsam verteidigen zu können, alle auf ihre Weise.

 

4. Umgang mit staatlicher Gewalt und der „Militanz-Debatte“

Die Debatte im Nachgang des 24.2. hat uns verdeutlicht, dass wir darüber reden müssen wann und wie Militanz ein sinnvolles Mittel sein kann um bestimmte Ziele zu erreichen. Dafür fehlt es aber an Strategien, Ideen und Wissen. Wir wollen uns selbst und andere nicht in Gefahr bringen, sondern gezielt ansetzen um das System aus den Angeln zu heben.
Wir sind der Meinung, dass Staat und Kapitalismus uns niemals gegen die Klimakrise helfen werden, denn das würde ihrer ausbeuterischen, neokolonialen, kriegerischen Natur widersprechen. Leider können wir seit Jahrzehnten sehen, dass es nur schlimmer wird und dass die Staaten und Unternehmen den Planeten an die Wand gefahren haben. Und kein Interesse daran gezeigt haben etwas zu ändern was helfen würde.

Was uns zum Morgen des 24.2. aufgefallen ist, ist das es massiv an Erfahrung und Fähigkeiten in Konfrontationen mit den Cops fehlt. Wir müssen dringend anfangen diese Wissenshierarchien abzubauen. Das bedeutet nicht, das wir allen Leuten beibringen wollen militant zu sein und die Menschen dazu bringen wollen gewaltvoll zu handeln. Sondern dass Menschen verstehen, was passiert, wieso Dinge passieren und vor allem wie die Handlungen der Cops einzuschätzen sind. Damit Menschen nicht in Situationen kommen, die sie überfordern oder in denen sie sogar festgenommen werden. Es wäre wichtig herauszufinden, wo die Schwächen und Stärken der Cops sind wenn wir unsere Ziele erreichen wollen.

Wichtig ist uns: Die Cops und der Staat sind niemals Kooperationspartner*innen, mit ihnen zu interagieren schwächt immer jede unserer Positionen. Egal welche Aktions oder Protestform wir wählen oder wo wir aktiv sind. Auch sind sie niemals freundlich uns gegenüber eingestellt, nur weil sie gegenüber Menschen so tun als wären sie das. Die Cops haben professionell geschultes Personal, was genau darauf spezialisiert ist durch Gespräche und vermeintliche „rettende“ Angebote oder Kompromisse den Widerstand zu spalten. Und diese Spaltung zielt immer auf die Abgrenzung der „nicht-militanten“ Aktivist*innen gegenüber den „militanten“ Aktivist*innen ab.
Es ist gefährlich zu denken, dass wenn Aktivist*innen friedlich auftretet und deeskalieren, die Cops ihnen freundlich(er) gegenüber stehen. Denn wie wir schon hunderte Male, in anderen (Wald-)Besetzungen, gesehen haben, unter anderem auch am 24.2. in Lützerath, die Cops machen keinen Unterschied und greifen jeden Mensch willkürlich an. Sie machen dabei kein Unterschied zwischen jung oder alt, vermummt oder unvermummt.
Wir müssen darüber reden, wie unsere Gefühle auch unsere Aktionsarten bestimmen: Angst zu haben kann bedeuten, sich militant wehren zu wollen, aber auch eben sich nicht gewaltvoll zu verhalten. Auch kann, egal welche, Angst lähmen oder zu falschen Entscheidungen führen. Anstatt uns zu verurteilen, müssen wir über unsere Gefühle, unsere Taktiken und die ganze Gewalt die wir erleben, reden. Und zwar jetzt und nicht wenn wieder Cops in der ZAD auftauchen.

(National-)Staaten und Kapitalismus sind von Grund auf gewalttätig. Und wir werden in dieser kaputten Welt so sozialisiert, dass wir Gewalt immer wieder auf die ein oder andere Art reproduzieren. Das wollen wir ändern! Dafür müssen wir dieses toxische Systeme aber los werden und neue Gesellschaften aufbauen.
In den letzten Jahrzehnten hat der Staat gezeigt, dass er friedlichem Protest kleine Stücke zu wirft, damit dieser ruhig gestellt ist. Rebellierender Protest hingegen macht dem Staat Angst und diesen kriminalisiert er und greift er an, weil der Staat genau weiß das sich ein solidarischer, starker Protest wie ein Lauffeuer ausbreiten kann, wie wir in den letzten 12 Jahren vom arabischen Frühling über Südamerika bis zu dem BlackLivesMatter Protesten sehen konnten. Beispiele aus unserem Näherem Umfeld sind der Widerstand im Hambi und im Danni, als Tausende in und um den Wälder auf verschiedenste Art aktiv waren. Egal ob Anarchist*innen, Antifaschist*innen oder Klimaaktivist*innen. All diese Bewegungen machen dem Staat Angst, denn sie wollen das System und die Gesellschaft grundlgegend ändern, sodass den Herschenden die Macht genommen wird. In sozialen Bewegungen liegt unglaublich viel Kraft.
Wir müssen viele werden ohne unsere revolutionären Wünsche zu verwässern nur um akzeptiert zu werden. Wir sind ein antikapitalistischer Protest, dass bedeutet, dass ALLE Parteien und Konzerne uns immer feindlich gegenüber stehen. Wir müssen es schaffen, dass der Staat es sich nicht traut Lützerath anzurühren. Und das nicht weil das Medienecho schlecht ausfällt oder Wählerstimmen verloren gehen, sondern weil dem Staat hier eine Niederlage droht, die seine Macht zerbröseln lässt.

Lasst uns herausfinden wie sich verschiedene Aktionsformen gegenseitig unterstützen und begünstigen können. Militante Aktionen können viele Cops binden damit andere Menschen an anderer Stelle handeln können. Lasst uns daher also Wege finden wie alle unsere Aktionsformen und Strategien dazu beitragen, dass wir viele sind und immer mehr werden, damit wir die Stärke als Bewegung entwickeln können, um den staatlichen und kapitalistischen Normalzustand zu überwinden.
Um das zu erreichen reicht es nicht aus nur die ZAD Rheinland zu verteidigen und zu einer autonomen Zone zu machen, sondern wir müssen den Staat, seine Institutionen und das kapitalistische System unnötig machen, damit wir es abschaffen können. Das sind leider sehr viele Stellen an denen wir arbeiten müssen. Angefangen bei patriarchalen Verhältnissen und Rassismus welche wir, auch in Lützerath, noch reproduzieren. Bis hin zur Polizei, Gefängnissen und der Lebensmittelindustrie, sodass wir komplett selbstorganisiert unser Leben von unten gestalten können.

Wir glauben es ist wichtig, einen regelmäßigen emotionalen Austausch im Camp über Angriffe der Cops und wie es uns damit geht zu haben. Was nicht hilft ist Frust und Wut nach Aktionen aneinander abzulassen, große Plena mit emotionalem Stress abzuhalten und uns dabei anzugreifen. Wir müssen uns auch kritisieren, diskutieren und auch anerkennen, dass an diesem Tag viele Dinge nicht gut gelaufen sind. Aber an allen Plenas nach diesem Donnerstag wurde weder darüber gesprochen, was genau an diesem Tag chronologisch passiert ist noch was wir alle (!) von diesem Tag lernen können. Das hat es schwer gemacht zu verstehen was passiert ist an diesem Tag wenn Menschen selber nicht da gewesen sind. Außerdem finden wir es problematisch, dass der „Angriff vom 24.2.“ Text des Anarchists in Lützerath – Blogs nie in Plena vorgelesen wurde, aber Grundlage der ganzen Debatte und mehrerer Antworttexte war.

Der Text der auf der Dorfvernetzung am Sonntag vorgelesen wurde, spielt total in das Klischee rein, dass Menschen die Militanz legitim finden bloß gewaltbereite Chaot*innen sind. Wir finden das sehr schade und auch schädlich, da damit auch wieder eine Trennung zwischen Menschen aufgemacht wird die es gar nicht so gibt.

Gleichzeitig war es auch sehr unklar, ob der Text eben die militanten Leute vom 24.2. anspricht, Leute die militante Aktionen nur gut finden, das gesamte Anarchists in Lützerath Kollektiv, die Verfasser*innen des Textes oder alle Anarchist*innen hier, die nichts mit dem Blog zu tun haben.

Wie wir auch schon geschrieben haben: wir sehen uns nicht als Parallelstruktur zu Camp, noch denken wir, dass wir alles besser wissen. Ganz im Gegenteil, nachdem 24.2. haben wir einige Dinge getan, die uns selbst gelähmt haben und die wir erst aufarbeiten mussten. Wir wollen niemensch nicht gegeneinander ausspielen, sondern zusammen wachsen. Und dabei unsere Vorurteile abbauen, denn umso besser wir uns kennen und lieben lernen, umso stärker werden wir. Nur hatten wir leider das Gefühl, das genau das Gegenteil in den Streitereien nach dem 24.4. passiert ist.

Aus irgendwelchen Gründen sind Lager entstanden, die eigentlich keinen Sinn ergeben und Menschen haben sich angegriffen gefühlt und sich in „Verteidigungspositionen“ begeben. Wir wollen unsere verschiedenen Strategien, Taktiken, Ansichten als Stärke begreifen und Gegensätze aushalten.

Das einzige „wir“ und „die“ was wir aufmachen sollten ist wir, als alle menschen in der ZAD Rheinland und unsere Gefährt*innen, gegen RWE und den Kapitalismus. Gleichzeitig sind wir kein vereinter Widerstand in Lützerath und das ist auch gut so! Es soll nicht das Ziel sein, dass alle die gleiche Meinung zu haben. Wir leben von unserer Vielfalt.

Aber auch wenn es in der letzten Zeit sehr stressig war, und dieser Tag und diese Debatte Menschen ermüdet und kaputt gemacht hat, haben wir eine gemeinsame Grundlage. Wir alle wollen dieses Dorf erhalten und auch wenn wir unterschiedliche politische Ansichten haben mögen, in der Praxis schaffen wir es uns selbstbestimmt nach Bedürfnissen zu organisieren – und das ist eine unglaubliche Sache, die wir bei aller Kritik und allen heftigen Streits auch nicht vergessen dürfen.

Wir wollen Strategien und Taktiken vereinen. Damit „das gute Leben für alle“ in Lützerath langfristig möglich ist. Lasst uns gemeinsam überlegen, wie wir den reibungslosen Ablauf der Kohlemaschinerie stören können!

Bijî berxwedana Lützerath – Es lebe der Widerstand in Lützerath !

 

1) ZAD: zone à défendre, französich: zu verteidigendes Gebiet

2) FLINTA* steht für Frauen, Lesben, Inter, nicht-binäre, trans* und Agender. Dies ist ein Sammelbegriff für verschiedene Gruppen die im Patriachat unterdrückt werden. https://frauenseiten.bremen.de/blog/was-ist-eigentlich-flinta/

3) BIPoC steht für Black, Indigenous and People of Colour, auf deutsch: Schwarze, indigene und nicht-weiße Menschen, also ein Sammelbegriff für Personen die von Rassismus unterdrückt werden.

4) Unsere Meinung zu Gerichten findet ihr im Text „Wohin gehen wir und was wollen wir eigentlich?“ auf Seite 5: https://anarchistsinluetzi.blackblogs.org/2022/01/31/wohin-gehen-wir-und-waswollen-wir-eigentlich-uber-die-klimabewegung-und-wo-sie-hin-kommen-kann/

5) In Lützerath gibt es vier besetzte Häuser, das Leben darin wird von Staat und Cops kriminalisiert und die Menschen die in diesen Häuser wohnen wollen nicht geräumt werden, sondern haben dort ein Zuhause gefunden und sind somit, wie viele andere die hier leben und sonst keinen anderen Ort haben zu dem sie können, Anwohner*innen.

6) „Friedlicher“ Protest

7) Gesa = Gefangenen Sammelstelle, in die Menschen bei Räumeung oder Aktionen bei Festnahmen zur Identitätsfeststellung gebracht werden, meist Polizeiwachen verteilt im Bundesland

8) diversity of tactics, englisch: DiversitätVielfältigkeit von Taktiken

9) Auszug aus: „Wohin gehen wir und was wollen wir eigentlich?“: https://anarchistsinluetzi.blackblogs.org/2022/01/31/wohin-gehen-wir-und-waswollen-wir-eigentlich-uber-die-klimabewegung-und-wo-sie-hin-kommen-kann/

 

 

Sammlung von Kritik zu “Angriff auf Lützerath” vom 25.2.

Text als PDF in deutsch. Text as PDF in english. 

Auf den Text „Angriff auf Lützerath am 24.2.22 und was nun folgen muss“ vom 25.2. vom Blog „Anarchists in Lützerath“ erreichten uns einige Reaktionen und Kritik. Dieser Text „Angriff auf Lützerath“ wurde von einzelnen Personen verfasst und spricht nicht für die ganze Besetzung in Lützerath und auch nicht für alle Anarchist*innen die in Lützerath leben. Anarchists in Lützerath ist ein loser Zusammenschluss von Menschen, die ihre Gedanken über den Widerstand in Lützerath öffentlich machen um Debatten anzustoßen und voneinander zu lernen.

Vorletzten Mittwoch haben sich einige Anarchist*innen zusammengesetzt und über den Text vom 25.2. gesprochen. Nicht alle haben sich von diesem Text angesprochen gefühlt, andere nur teilweise und es gab vielfältige Meinungen die der Text angestoßen hat, wie zum Beispiel das Thema wie mensch mit Angst umgehen kann.

Als Personen, die sich für den Text und den Blog verantwortlich fühlen haben wir die Kritik wahrgenommen und respektiert. Die Reflexion über problematische Stellen werden auf diesem Blog öffentlich gemacht werden. Trotz einigen Stellen mit denen einige Menschen sehr unzufrieden sind, bleibt der Text online, da es auch sichtbar gemacht werden muss, wenn Fehler gemacht werden.

Wir befinden uns momentan in einem Prozess. Der 24.2. und die darauf folgenden Streitigkeiten haben uns sehr mitgenommen. Wir hatten gehofft einen Teil dazu beitragen zu können, dass die Community in und um Lützerath nach dem Angriff der Cops zusammen wächst und sich gestärkt auf die Zukunft vorbereitet. Stattdessen kam es zu Entsolidarisierungen und Spaltungsansätzen. Diesen müssen wir entschieden entgegentreten, denn sie machen uns als Bewegung schwach und werden von den Cops erzeugt, damit wir keine großen Gegner*innen bei einem Räumungsversuch darstellen. Der Hambacher Forst hat gezeigt, dass wenn wir alle zusammen agieren mehrere 10.000 Menschen zusammen kommen können und das ist auch in Lützerath wichtig.
Wir werden uns in den nächsten Tagen mit einem weiterem Beitrag zu Wort melden.

Es folgen nun einige Textpassagen und die jeweils dazu gesammelte Kritik.

 

Textpassage:
Dazu kam noch, dass sich am Samstag der rechtsextreme Anschlag in Hanau zum zweiten mal jährte. (Solidarität mit allen BIPoC! – Feuer und Flamme dem rassistischem System!)

Kritk daran:
– Hanau wird instrumentalisiert und so kurz und in einem Nebensatz eingeschoben und wird so betrachtet, als wäre es nur ein Polizeiproblem gewesen. Hanau ist aber auch durch ein rassistisches System geschehen, dass Rassismus und Rechtsextremismus so tief in der Gesellschaft verankert hat, dass diese Terror-Attentate erst möglich macht. Von diesem rassistischen System sind auch wir ein Teil und können die Schuld an Hanau nicht nur bei der Polizei sehen.

– Der erste Absatz baut Stimmung auf: es wurde so verstanden, dass die Wut wegen Hanau als Rechtfertigung für die Gewalt gegenüber der Polizei genommen wurde. Hanau als Begründung für Gewalt gegenüber der Polizei zu nehmen ist rassistisch und anmaßend, da weiße Menschen nicht persönlich nachvollziehen können was Hanau bei von Rassismus Betroffenen für Schmerz auslöst, da sie eben nicht davon betroffen sind.

 

Textpassage:
(Ja, wir meinen euch beide, ihr scheiß übergriffigen Macker! Wagt euch her und ihr werdet nirgendwo mehr hingehen!).

Krtik dazu:
– Dieser Satz wurde von einigen Menschen als Morddrohung verstanden und widerspricht somit den Grundsätzen von Täter*innen-Arbeit, da Menschen sich ändern können und nicht für ihr Verhalten bestraft werden sollten. Wir wollen aber auch betroffenen Personen von sexualisierter Gewalt, trans* und inter* feindlichkeit und Sexismus darin bestärken, sich gegen Macker*innen und übergriffige Personen zu wehren und nicht nur passiv zu bleiben.

 

Textpassage:
Die Angst hat an diesem Tag die Seiten gewechselt – das macht uns Hoffnung und gibt uns Kraft für die kommenden Kämpfe.

Kritik dazu:
– Es hat auf einige Menschen so gewirkt, als würden die Aktion Angst verbreiten wollen was sie grundsätzlich persönlich abgelehnt haben.

– Der ganze Absatz wirkte auf Menschen gewaltverherrlichend und ignoriert, dass Menschen in Lützi auch Angst hatten vor den beteiligten Menschen und das nicht nur die Polizei Angst hatte. Es wäre schön gewesen, diese Perspektive auch noch dabei zu haben und genau diese Angst auch anzuerkennen.

– Aber es ist auch wichtig zuakzeptieren, dass in der Klimabewegung ist Angst ein ständiger Begleiter ist (Beispielsweise vor Klimawandel, Cops, Gewalt) und dass auch das sehr viele Emotionen bei Menschen hervorrufen kann.

 

Textpassage:
THW… wir haben den Danni nicht vergessen und wissen euch nun als Feind und Ziel!

Kritik dazu:
– Den THW als „Feind und Ziel“ ist eine krasse Formulierung, natürlich ist es notwendig die Mitarbeit des THW an Räumungen zu kritisieren, die Frage ist aber auch, ob es ihnen überhaupt möglich ist, die Mitarbeit abzulehnen.

 

Textpassage:
Solidaritätsbekundungen in alle Richtungen

Kritik dazu:
– hätte mensch auch anders machen können, auch wenn das so gemeint war wie „ auch wenn gerade viel los ist, wir vergessen euch und eure Kämpfe nicht“.

 

Textpassage:
An dieser Stellen wollen wir explizit FLINTA*s und BIPoC einladen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir wollen die Kämpfe mit euch als Geschwister führen und miteinander leben!

Kritk dazu:
– BiPOC und FINTA*s explizit einladen ist unnötig. Anstatt nur zu sagen, dass Leute willkommen sind, sollte mensch das zeigen. Die Aussage gab einigen Menschen das Gefühl, als Symbol/Aushängeschild behandelt zu werden um zu zeigen, wie offen Lützi ist anstatt wirklich daran zu arbeiten dass dieser Ort sicher(er) für FLINTA und BIPOC wird.

 

Zum Abschluss kann mensch sagen, dass der Text sehr emotional ist und nach einem sehr aufwühlenden Tag geschrieben worden ist und eher wie ein Tagebucheintrag ist oder ein Sammlung von Gefühlen und Gedanken. Der Text spricht nicht für alle, sondern gibt nur das wieder was Einzelne an diesem Tag erlebt haben.

Wir wollen Teil eines solidarischen Prozesses sein und mit allen Menschen, die sich auf Lützerath beziehen und Aktionsformen zusammen Lützerath verteidigen!

Anarchists in Lützerath am 12.03.22

Staat Land Frust – Möglichkeiten des selbstbestimmten Lebens

Dieser Text ist die Fortsetzung zu „Warum wir uns nicht auf den Staat verlassen dürfen: Der Fall Lützerath“i und ist noch vor den aktuellen Auseinandersetzung und Diskussionen im Camp enstanden, die auf den Polizeieinsatzii am 24.2.2022 gefolgt sind.

Inhaltswarnung: Polizeigewalt, Tod, staatliche Unterdrückung

 

Wir wollen frei leben, das heißt, dass wir nach unseren Bedürfnissen und Wünschen leben können, ohne dabei anderen zu sagen was sie dürfen oder nicht. Das versuchen wir im Einklang miteinander zu machen indem wir auf die Bedürfnisse und Wünsche aller Rücksicht nehmen und versuchen diese zusammen zubringen. Wir organisieren uns selbst, geben uns unsere eigenen Regeln, die wir gemeinsam erarbeiten. Der Staat hingegen zwingt uns in ein System der Unterdrückung und Gewalt. Wir müssen Leistung erbringen, in der Schule, auf der Arbeit, in der Universität, gegenüber den Lehrenden, der Firma und dem Chef. Der Staat gibt uns keinen Freiraum in dem wir sein können wer wir wollen. Der Staat versucht uns in der Illusion zu halten wir könnten mitbestimmen, was wie geregelt wird, wo die Gesellschaft hin will. Aber das ist kein Versprechen was gehalten wird. Wahlen, Parteien, Gewerkschaften dienen nur dazu uns das Gefühl zu geben, wir könnten selber machtvoll sein wenn wir im Herrschaftssystem nur den richtigen Platz haben. Die Teilhabe an der Macht verhindert aber, dass wir das abschaffen können was wir wollen. Schon Audre Lorde hat gesagt „The Master‘s tool will never dismantle the Master‘s house“ (Die Werkzeuge der Herrschers werden niemals das Haus des Herrschers zerstören können)iii. Gleichberechtigte Mitbestimmung ist eine falsches Versprechen des Staates und des Kapitalismus, welche uns alle und den Planeten ausbeutet und zerstört.

Der Staat achtet nur auf die Dinge die er für wertvoll erachtet. So interessiert den Staat nicht wie es dir geht und was du gerne machen möchtest, sondern nur wie „wertvoll“ du als Arbeitskraft bist um bestehende kapitalistische Verhältnisse zu erhalten.
In Lützerath arbeitet wir stetig an und mit uns, um so aufeinander zu achten. Wir versuchen uns als Individuen mit unterschiedlichen und einzigartigen Bedürfnissen zu sehen. Wir achten uns als Menschen und begegnen uns mit Respekt. Dabei ist egal wie viel du tragen, bauen, schreiben, kreieren kannst. Der Staat hingegen begegnet allem was anders oder kritisch ist mit Unterdrückung und Gewalt. Er lässt keinen Raum für Individualität abseits der kapitalistischen Norm. Wenn wir schon den Kapitalismus abschaffen wollen, warum machen wir dann immer wieder vor dem Staat halt? Wir haben doch schon oft genug gesehen, wie das staatliche geschützte Eigentum den Menschen die Lebensgrundlage entreißt, wie nationalstaatliche Grenzen Menschen töten, wie der Staat komplette Leben strukturiert und von sich vollkommen abhängig macht. Nicht nur der Kapitalismus ist das Problem, sondern auch die staatlichen Verhältnisse, die die Entfremdung zwischen allen Lebewesen immer weiter verfestigen.

Antistaatlichkeit bedeutet, dass wir uns organisieren und unsere eigenen Strukturen nach unseren Bedürfnissen schaffen. Wir versuchen einander zu zuhören und aufeinander ein zugehen. Wir halten Plena ab um Entscheidungen gemeinsam zu treffen ohne dabei Menschen zu übergehen. Wir bauen uns Häuser, wir kümmern uns umeinander und lösen Konflikte selber, wir organisieren unser (eigenes) Essen und organisieren die Zubereitung davon, wir reparieren und schaffen Neues statt ignorant zu zerstören, wir versuchen unserer Beziehungen zueinander zu heilen und wir versuchen dabei Vorurteile und Diskriminierungen abzubauen, wir versuchen keinen (Leistungs-)Druck zu reproduzieren, sondern teilen Verantwortungen und nehmen uns dabei die Zeit die wir brauchen ohne vorgegebenen Takt.

Das kann für viele unglaublich bereichernd sein – es ist traumatisierend in einer Gesellschaft zu leben, in welcher dir dein Wert tagtäglich abgesprochen wird und du die Dinge, die du gerne für dich und andere tun würdest, nicht umsetzen kannst. Gegen den Staat zu sein ist nicht nur eine lächerliche, sinnlose Perspektive, sondern für Menschen, die vom Staat tagtäglich unterdrückt werden, das einzig Mögliche was bleibt.
Wenn wir auf Klimacamps und auf Besetzungen sind, sind alle Strukturen selbst organisiert. Aber warum sollte diese Selbstorganisation, dieses selbstbestimmtes Leben, nur auf diese Orte beschränkt bleiben? Natürlich ist das kein Allheilmittel und es laufen oft Sachen schief oder sind ungerecht verteilt. Aber wir brauchen nicht um Erlaubnis zu fragen um Sachen zu ändern, wir sind nicht gefangen in diesen Strukturen und sie können uns ganz konkret auch das Gefühl geben, dass das was wir uns vorstellen können auch möglich werden kann, wenn wir uns zusammenschließen.
Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, dass wir wenn wir Revolution wollen, uns auf den Staat verlassen können. Nicht nur, weil die meisten von uns schon selbst erlebt haben, was es bedeutet, wenn du selbst oder deine Freund*innen staatliche Gewalt erfahren: zum Beispiel rassistische Polizeikontrollen, Polizeigewalt oder im Gericht verurteilt zu werden. Sondern auch, weil der Staat in Hunderten Situationen gezeigt hat, dass er Kontrolle über Freiheit, Unterdrückung über Problemlösungen oder Profit über (ökologische) Gesundheit stellt. Kurz gesagt, der Staat repräsentiert immer das Gegenteil von dem was wir uns unter „befreiter Gesellschaft“ vorstellen.
Du kannst Polizeigewalt nicht netter machen, oder das Gericht viel fairer, warum sollten wir uns damit aufhalten es zu versuchen, wenn wir kreativ genug sind um uns eigene Strukturen aufzubauen? Lasst uns zusammen den Staat unnötig machen, indem wir uns selbst versorgen und uns so umeinander kümmern, wie es keine staatliche Struktur schaffen würde.

Wir sehen auch, dass autonome Unterstützung und Organisierung oft nicht verlässlich ist und es wird gefordert, dass diese vom Staat übernommen wird damit verlässliche Unterstützung da ist (zum Beispiel bei autonomen Gruppen die sich auf Spenden verlassen müssen um Geflüchtete zu unterstützen). Dabei wird der Staat wieder als Wohltäter gesehen, welcher dabei aber nicht alle gerecht unterstützt, sondern dabei auch von sich abhängig macht („du bekommst nur Geld wenn du arbeiten gehst“ / „ich schiebe dich nicht sofort ab wenn du arbeiten gehst“ / „ich tu dir nichts solange du zur Schule gehst“).
Die Beziehung zum Staat ist wie eine gewaltvolle, abhängig machende Beziehung in der du nur Liebe für Gegenleistung bekommst und fast immer sind es eher Schläge als Liebe die wir in der Beziehung zum dem Staat bekommen. Die staatliche bürokratische Organisierung ist verkrustet und voller erniedrigender Bedingungen, sodass es somit unmöglich gemacht wird auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen. Autonome Organisierung kann das erlauben und soll das auch, sodass sie die Alternative zu den toxischen Beziehungen in staatlichen Strukturen darstellt. Besetzungen und langfristige autonome Zonen sind Orte, an denen tagtäglich Revolution gelebt wird. Selbstorganisation bedeutet nicht, dass du alles selber machen musst und für alles die Verantwortung trägst. Im Gegenteil, es bedeutet sich gegenseitig zu helfen, sich zu unterstützen, neues zu lernen und die Strukturen so zu organisieren, dass sie Produktiv sind und wir uns dabei wohl fühlen, sodass die Arbeit die wir in unseren Strukturen machen, gerne machen.
Wir sollten uns davon lösen, Besetzungen bloß als eine radikale Art und Weise zu sehen, den Staat dazu zu bringen das zu machen was wir wollen. Eine Besetzung ist kein Mittel zum Zweck, sondern in Besetzungen kriegen Menschen die Möglichkeiten sich auszuprobieren, wie ein anderes Leben aussehen könnte. Wir müssen dem Staat die Räume klauen und sie uns auch nicht wieder nehmen lassen. Das, was wir hier aufbauen, ist viel zu wertvoll um es einfach aufzugeben. Verteidigen wir unser freies Leben in unseren gemeinsamen Räumen!

 

Als Bewegung innerhalb einer Besetzung keine Forderungen an den Staat zu stellen bedeutet nicht, dass wir keine Vorstellungen haben, wie eine gerechte Zukunft und Gegenwart aussehen könnte. Wir haben alle Ziele, Träume und Wünsche – die sich, wie immer in Gruppen, auch stark voneinander unterscheiden. Wenn sich eine Bewegung unter bestimmten Forderungen vereinen soll, wird die Vielfalt an Positionen und Sichtweisen schon von vorne eingeschränkt. Und: wen wollen wir überhaupt mit unseren Forderungen erreichen? Wenn wir Forderungen an den Staat richten, dann erkennen wir damit auch wieder die Macht des Staates an.iv
Und dass dieser nichts dafür tut, den Klimawandel aufzuhalten, liegt nicht daran, dass er erst dazu gedrängt werden müsste, sondern ein Teil des Problems ist. Ich denke, dass auch die militanteste Aktion nicht das ist, was ich gut finden würde, wenn sie letztendlich nur den Staat dazu bringen will in ihrem Willen zu handeln, anstatt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wir können uns dazu entscheiden, dem Staat nicht noch mehr Macht zu zusprechen als er sich selbst zuspricht. Das bedeutet nicht, die grausame staatliche Realität zu ignorieren und sich vollkommen abzuwenden, sondern sie anzuerkennen und genau deswegen sich nicht erneut in eine Bittsteller*innen-Position zu begeben.

Es bringt auch nichts, weniger militant zu sein als mensch gerne sein würde, um damit Cops und Staat nicht zu verärgern. Auch wenn wir viele sind, ist der Staat und die Polizei mächtig und gefährlich. Militante, ignorante, wütende Held*innen zu sein ist genauso scheiße, wie aus Überzeugung das „Richtige“ zu tunmit Cops und Staat zu kooperieren. Wir müssen lernen mit unseren Ängsten vor dem Räumungsversuch, vor staatlicher Gewalt und vor der Klimakrise umzugehen. Es ist verständlich, wenn sich mensch nicht vorstellen kann, gewaltvoll den Räumungsversuch zu stoppen und aus Angst vor Repressionen oder persönlicher Veränderung bestimmte Dinge nicht tun will. Es ist genauso verständlich, dass manche unglaublich wütend sind und andere Vorstellungen haben von dem was sie gerne tun würden. Wir hoffen aber, dass nur wenige ernsthaft davon überzeugt sind, dass die Polizei zu unserem Schutz da ist. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir miteinander sprechen: über kurzfristige Taktiken, wie wir Lützerath verteidigen können, aber auch über langfristige Strategien wie wir mit Staat und Polizei umgehen wollen, und wie wir tatsächlich unabhängiger werden können und Selbstversorgung in jedem Sinne möglich machen können,

 

Wie sollen wir über das nachdenken was in Lützerath gerade passiert?

Lützerath ist ein wichtiger Ort. Zum einen, weil dieser Ort ein Zuhause geworden ist für viele Menschen (und viele kein anderes Zuhause haben), aber auch, weil wir hier etwas aufbauen konnten, dass zeigt, dass Revolution möglich sein kann. Vielleicht ist es deprimierend zu denken, dass ich als einzelner kleiner Mensch ja sowieso nichts erreichen kann. Aber vielleicht ist es auch okay, genau das zu akzeptieren und nicht von sich selbst, einer Gruppe oder einer einzelnen Besetzung zu erwarten, dass sie die Kraft hätte auf einen Schlag alles abzuschaffen gegen was wir kämpfen. Revolution bedeutet nicht, einfach ein Herrschaftssystem durch ein anderes zu ersetzen. Es bedeutet jeden Tag etwas zu lernen, zu verändern und auf einander zu zugehen – und das ist unglaublich anstrengend, wenn es richtig gemacht wird und sich Menschen aufeinander einlassen. Unsere Beziehungen zueinander sind nicht nur die Grundlage für eine Revolution, sie sind die Revolution an sich. Sich miteinander wohl zu fühlen, und Unterdrückungen in unseren Beziehungen zu überwinden, mit den Hierarchien umgehen zu lernen die unser aller Leben formen, und trotz dessen, dass wir gelernt haben und systematisch weh zu tun miteinander zu kämpfen– das ist die eigentliche Revolution um die es geht. Es geht nicht darum, Hierarchien in unseren Beziehungen miteinander zu überwinden, um dann Leute in unsere Projekte miteinzubeziehen, es geht darum, dass wir auch unsere Kämpfe gemeinsam fühlen und kämpfen können (genauso wie oft zu akzeptieren, dass wir nicht auf die selbe Art gemeinsam kämpfen können weil wir Teil des Problems sind und uns auch Kämpfe nicht aneignen sollten). Wir können anerkennen und es feiern, dass wir in einer Gesellschaft alle voneinander abhängig sind, und den Staat als Vermittler und zentrale Steuerung unseres Lebens ablehnen, weil wir ohne ihn unsere Kräfte und Fähigkeiten besser für unsere Bedürfnisse einsetzen können. Wir wollen ein dezentrales Netz an Leuten und Organisationen die füreinander da sind, anstatt den Staat als abhängig machende Organisation die uns erniedrigt und vermeintlich auffängt.
Genauso wollen wir keinen grünen, vom Staat gesteuerten, Kapitalismus, weil wir den Wachstumszwang und die Ausbeutung als Kern des Problems gefunden haben. Also können wir genauso Gründe gegen einen ökologisch angehauchten Staat finden: das Grundproblem des Staates ist die soziale Hierarchie, die Herrschaft über die Menschen und deren Leben. Menschen, Lebewesen, die Umwelt werden als Mittel zum Zweck betrachtet, als etwas was mensch beHerrschen und kontrollieren muss.
Revolution bedeutet, auch das Zusammenleben miteinander als politisch zu betrachten und als nichts, was von oben herab organisiert werden kann, weil damit zwangsläufig Menschen übergangen und nur als Mittel zum Zweck betrachtet werden. Kleine, alltägliche Handlungen können unglaublich revolutionär sein, wenn sie Alternativen zur bestehenden Gesellschaft sind. Es ist revolutionär, wenn jemand bei dir ist und du dich dann traust, sexistischen Menschen die Stirn zu bieten. Es ist revolutionär, wenn du nicht wieder der emotionale Abfalleimer für alle bist, weil Menschen sich gleichberechtigt gegenseitig unterstützen. Es ist revolutionär, wenn eine Abschiebung aufgehalten wird, es ist revolutionär wenn Menschen die Rassismus erfahren zueinander finden, sich nicht mehr alleine fühlen und sich ihre Selbstbestimmung zurückholen.
Es wäre revolutionär, Zonen zu schaffen, wo es keine Polizei gäbe und wo sich Menschen wirklich sicher fühlen könnten. Es wäre revolutionär, Zonen zu schaffen, wo der Staat unser Denken und Handeln nicht mehr beeinflussen kann und wir frei von kapitalistischen Zwängen leben können.
Wir können jetzt eine andere, bessere Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft schaffen, die für das systematische Sterben von Lebewesen, Ökosystemen, und dem kompletten Planeten verantwortlich ist – denn Revolution bedeutet, gegen das Sterben zu kämpfen.

Radikale soziale Bewegungen nehmen schon längst Bezug auf anarchistische Konzepte: Bezugsgruppen zu bilden oder die gegenseitige Unterstützung die nicht darauf beruht dass wir uns alle mögen müssen um uns zu helfen, sondern aus der Überzeugung heraus, dass wir nur zusammen Dinge aufbauen können.
Insbesondere in der Klimabewegung gibt es schon Anschluss an viele anarchistische Perspektiven, diese gilt es jetzt weiter auszuformulieren und weitere Schritte zu gehen. Es ist dringend an der Zeit uns als Bewegung weiter zu entwickeln und der immer größer werdenden Zerstörung entsprechende Antworten entgegen zu stellen. Dabei kann Lützerath der richtige Ort sein um diese und andere revolutionäre Perspektiven zu entwickeln.

Für ein autonomes, gerechtes, selbstbestimmtes Leben für alle in Lützerath.

 

i „Warum wir uns nicht auf den Staat verlasse dürfen: Der Fall Lützerath“ ist hier zu finden: https://anarchistsinluetzi.blackblogs.org/2022/02/16/warum-wir-uns-nicht-auf-den-staat-verlassen-durfen-der-fall-lutzerath/

ii „Angriff auf Lützerath am 24.2.2022 und was nun folgen muss“ ist hier zu finden: https://anarchistsinluetzi.blackblogs.org/2022/02/25/angriff-auf-lutzerath-am-24-2-22-und-was-nun-folgen-muss/

iii Der Text zum Zitat von Audre Lorde ist hier zu finden: https://collectiveliberation.org/wp-content/uploads/2013/01/Lorde_The_Masters_Tools.pdf Obwohl Audre Lord als Schwarze lesbische behinderte Feministin der 80er in den USA eine ganz andere Erfahrung hat als die meisten Menschen aus Lützerath, ist die Vorstellung davon, sich nicht den Methoden der Unterdrücker*innen zu bedienen wenn mensch Unterdrückung abschaffen will, etwas sehr wichtiges und inspirierendes.

iv „Warum wir keine Forderungen stellen“ von Crimethinc ist hier zu finden: https://anarchistischebibliothek.org/library/crimethinc-warum-wir-keine-forderungen-stellen

Angriff auf Lützerath am 24.2.22 und was nun folgen muss

Dieser Text wurde von einzelnen Personen verfasst und spricht nicht für die ganze Besetzung und auch nicht für alle Anarchist*innen in Lützerath. In den letzten Tagen wurde von einigen Menschen Kritik gesammelt und an die Person/en weitergegeben, welche den Text geschrieben hat/haben. Die Personen die sich für den Text und den Blog verantwortlich fühlen haben die Kritik angenommen. Die Reflexion über problematische Stellen werden auf diesem Blog öffentlich gemacht werden. Trotz einigen Stellen mit denen einige Menschen sehr unzufrieden sind, bleibt der Text online, da es auch sichtbar gemacht werden muss, wenn Fehler gemacht werden.

 

Als PDF: deutsch, english comming soon

Triggerwarnung: Polizeigewalt, Verletzungen, Erwähnung von Hanau, Sexualisierte Gewal

Die Stimmung war entspannt in Lützerath. Mit einem Urteil zu dem Prozess der Anwohnenden war in den nächsten Tagen nicht zu rechnen. Das Gericht kündigte an, eine Entscheidung frühestens im März fällen zu können. Am Wochenende fegte ein Sturm durch das Rheinland, zerstörte hier und da etwas und wirbelte viel Unordnung auf. Eigentlich sympathisch. Es standen also viele Aufräum- und Reparaturarbeiten an; endlich konnten Menschen mal wieder raus in die Sonne.
Dazu kam noch, dass sich am Samstag der rechtsextreme Anschlag in Hanau zum zweiten mal jährte. (Solidarität mit allen BIPoC! – Feuer und Flamme dem rassistischem System!)

Es lagen viele Emotionen und Frust in den letzten Tagen in der Luft, Menschen versuchten zu regenerieren nach dem zähen Winter.

 

Viele blicken nach vorn und wollen die letzten Monate und ihre Belastungen zur Vergangenheit machen (Ja, wir meinen euch beide, ihr scheiß übergriffigen Macker! Wagt euch her und ihr werdet nirgendwo mehr hingehen!). Es wurden Prozesse angestoßen, wie die nächsten Wochen in Lützerath aussehen könnten und was wir hier schaffen wollen. Ein hoffnungsvoller Blick – auch für uns – wo wir doch viel zu kritisieren haben und oft in Pessimismus verfallen. Doch wir sollten von diesem sonnigen, (trotz Wind und Kälte) heißen Donnerstag aufgeweckt werden:

Einige Securitys kamen in den frühen Morgenstunden auf die grandiose Idee, ZWEI Spaziergänger*innen im Tagebauvorfeld1 festzusetzen. Diese hatten wohl dafür gesorgt, dass die zerstörerischste Maschine Deutschlands für ein paar Minuten stehen bleiben musste. Menschen waren schon dutzende Male im Tagebauvorfeld spazieren und nie hat es so einen Ärger produziert.
So riefen die Securitys dieses mal die Cops. Bis diese mit zwei Streifen ankamen, konnte eine der Personen, die festgehalten wurde, durch einige mutige Gefährt*innen befreit werden!

Sobald die weiteren Streifen da waren, gestaltete sich die Situation schwieriger und die Angst vor den Cops war für die meisten zu groß, um einen erneuten Versuch zu wagen. So wurde die gefangene Person emotional unterstützt und ihr die EA Nummer mitgeteilt. Immer mehr Menschen fanden sich auf dem Wall ein. Die Cops wurden nervöser und forderten – nachdem Steine auf ihre Autos flogen – wohl sehr panisch Unterstützung an: „Wir brauchen Unterstützung. Die bringen uns sonst hier um.“
Die Angst kann die Seite wechseln, das müssen wir uns immer wieder klar machen!

Derweil bauten Menschen überall, wo mehr Cops hätten kommen können, kleine Barrikaden auf. Dann tauchte nach 20 Minuten auch die angeforderte Unterstützung an der Bushaltestelle auf. Zwei dutzend Menschen stellten sich diesen in den Weg und deckten die ersten Wagen mit Steinen ein, sodass diese umdrehten, um sich umzuziehen und zu formieren. Wenige Minuten später kamen dann 30 Riot-Cops angefahren, die von den Aktivist*innen zuerst zurückgehalten wurden und die ein oder andere Flasche oder Steine kassierten. Erst als weitere Unterstützung kam und die Zahl der Cops auf etwa 70 anstieg, trauten sie sich, uns anzugreifen. Menschen verteilten sich hinter der Barrikaden, in den Bäumen und Büschen. Die Situation entspannte sich und an eine Befreiung der gefangenen Personen war jetzt nicht mehr zu denken, da diese von 20 Securitys und 30 Riot-Cops bewacht wurde.

Die Angst hat an diesem Tag die Seiten gewechselt – das macht uns Hoffnung und gibt uns Kraft für die kommenden Kämpfe. So waren die Cops in fast jeder Situation unsicher und trauten sich erst mit deutlicher Überzahl und massig Riot-Schildern Menschen anzugreifen. Und immer, wenn sie sich vor wagten, wehrten sich die Menschen, verbarrikadierten sich und warfen umliegende Sachen auf die Cops. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden vier weitere Personen gewaltsam festgenommen und mit in die Gesa2 genommen. Die meisten sind wieder frei, eine Person ist im Krankenhaus. Viel Kraft und Liebe für die nächsten Tage – ihr seid nicht allein!

Mittags war dann die Luft raus als immer mehr Einheiten ankamen und zwei Räumpanzer auftauchten. Die Überzahl der Cops hat uns dann gezwungen, zu pausieren und das Geschehen „nur“ noch kritisch zu beobachten. Dabei wurde den Cops klar gemacht, was für lächerliche Gestalten sie sind, wenn sie einen Räumpanzer brauchen, um zwei (!) Bauzäune aus dem Weg zu schaffen oder sie sich im Schlamm fest fahren.

Wir kümmerten uns umeinander und sammelten Energie, falls sie doch noch versuchen würden, in die Häuser oder auf das Camp zu kommen. Währenddessen machten sich die Cops daran, alle Barrikaden und einige Strukturen an den Ortseingängen zu zerstören. Dabei wurden sie von Klettercops, Technischen Einheiten, RWE und dem THW³ unterstützt. THW… wir haben den Danni nicht vergessen und wissen euch nun als Feind und Ziel!

Die Cops zogen gegen 16:00 ab. Dann konnten wir durchatmen, das Erlebte besprechen und verarbeiten. Es ist nun an der Zeit, aus diesem Tag zu lernen, unsere Strategie zu erneuern und die Barrikaden doppelt und dreifach so gut wieder aufzubauen. Dafür brauchen wir aber Material und Unterstützung – egal ob Snacks und Kuchen oder Zement und Stahl.

Wir wollen die ZAD Rheinland zur autonomen Zone machen, die wir verteidigen können. Auf dass die Cops sich nicht mehr hier rein trauen! Das schaffen wir gerade aber nicht alleine; wir haben viel emotionale Arbeit vor uns. Wir brauchen euch jetzt hier – eure Hände, euer Wissen und eure Herzen. Daher ist jetzt die Zeit. Wenn ihr könnt, kommt nach Lützerath – erzählt euren Freund*innen von dem Ort, seid teil der Revolution hier und lasst uns viele verschiedene Kämpfe hier verbinden. Lützerath ist anders, vielleicht mit einer strategisch ungünstigen Lage. Doch wir haben hier vier besetzte Häuser, eine Menge Strukturen und viele Leute, die das „Sich-räumen-lassen“ satt haben und wütend sind. Wir wollen endlich Kämpfe gewinnen. Auf dass die Angst die Seite dauerhaft wechselt und sie sich nicht her trauen!

From Lützerath to Hanau:

FIRE TO THE POLICE! NO JUSTICE – NO PEACE!

Solidarity greetings to our comrades in Russia and Ukraine! No war but classwar!

An dieser Stellen wollen wir explizit FLINTA*s und BIPoC einladen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir wollen die Kämpfe mit euch als Geschwister führen und miteinander leben!
PATRIARCHY, WE WILL CRUSH YOU BY THE THROAT!

Anarchist*innen aus Lützerath am Morgen des 25.2.22

¹ Bereich nahe der Abbruchkante des Tagebaus; „Eigentum“ von RWE; abgetrennt durch einen niedrigen Erdwall
² Gefangenensammelstelle, meist in Polizeiwachen
³ Technisches Hilfswerk

Warum wir uns nicht auf den Staat verlassen dürfen: Der Fall Lützerath

Es ist kalt im Rheinland. Wir haben Anfang Januar, der Winter ist da und die Kälte zehrt seit Wochen an den Kräften.1 In wenigen Tagen ist es Vollmond und der Nebel hängt tief über Lützerath. Aber die Nächte sind still, zu still. Es schlafen noch alle und es ist ruhig, es dauert noch bis die Sonne da ist und die Zeit fürs Frühstück kommt, aber ein Geräusch lässt mich nicht zur Ruhe kommen… Die Grube töst und brummt so laut wie selten zu hören ist. Denn es regnet heute Nacht nicht und es ist auch kein Wind in dem Baumkronen zu sehen.
Also geh ich die wenigen Meter zum Wall und rüber zur Grube. Ich schaue mich um ob ich die Scheinwerfer der Security Autos erspähen kann. Nichts zu sehen, also geh ich bis auf wenige Meter an den Rand der Mine. Ich kenne den Anblick, aber er lässt mich jedes mal erstarren. Anders als einige es erwarten würden ist es nicht leblos und leer dort unten. Es erstrahlen hunderte Lichter, hauptsächlich gelb. Es ist laut. Maschinen um Maschinen agieren zusammen als eine zerstörerischen Einheit. Weit unter mir liegt der Kern der Gewalt, welcher jetzt erst richtig sichtbar ist. Denn wenn es hell ist sehen wir zwar bei jedem Sonnenaufgang die Schatten der Bagger an der Kante der Mine, wie sie einige Dutzend Meter entfernt die Erde umwälzen und mit ihren Auto-großen Schaufel Unmengen an Erde zerschlagen.
Es ist sehr surreal, es fühlt sich nicht so an als wäre ich noch auf der Erde, sondern als wäre ich in einer dystopischen Geschichte gefangen. Der Anblick wirkt für mich wie eine Basis auf einem fremden Planeten. All das durch getaktete „Funktionieren“ da unten wirkt sehr befremdlich. Immer das gleiche. Immer zur gleichen Zeit. Immer wieder, immer wieder… Die Mine scheint zu leben, denn sie arbeitet ohne Pause und bewegt sich langsam aber tötend weiter.
Ich bleibe noch einige Minuten stehen, ich will mich nicht setzen oder länger hier bleiben. Mir wird immer wieder bewusst, warum ich in Lützerath bin, wenn ich hier stehe. Die Zerstörung des Kapitalismus ist so enorm, dass ich sie schwierig in Worte fassen kann. Hier manifestiert sie sich in der Form einer riesigen Mine, die seit Jahrzehnten durch die Landschaft wandert.
Der Weg zurück zum Camp ist schwerer als der Hinweg, es fühlt sich so an als wäre etwas großes erdrückendes hinter mir her. Nicht das es mich einholen will, eher dass es mich verfolgt. Wie ein zu schwerer Rucksack, der mich zu Boden drücken will. Wenige Stunden später geht die Sonne über der Mine auf, der Nebel verflüchtigt sich langsam. Der morgendliche Frost glänzt im Sonnenschein, dabei fängt er langsam an zu schmelzen. Es tropft von den Bäumen und den Strukturen. Menschen stehen zum Frühstück an. Und die ersten Plena und Arbeiten fangen an. Leben! Das Dorf und die Natur hier lebt. Noch.

 

Und nun? Wieder ein normaler Tag in Lützerath? Die gleichen Gespräche, die gleichen Bauprojekte? Ich kann es schon lange nicht mehr sehen, weiter in diesem System von elitärem, privilegiertem Aktivismus gegen Wände zu rennen. Ich will endlich ausbrechen. Was neues, besseres schaffen. Alles niederreißen und was neues aufbauen. Ich will alles verändern. Aber wo sind die Gefährt*innen mit denen ich nicht immer wieder aufs Neue die gleichen Diskussionen führen muss. Die ich liebe, die mich lieben. Denen ich blind vertrauen kann, die mir blind vertrauen. Die genau wie ich nur noch die Angst vor den kommenden Aufständen kennen, aber keinen Respekt mehr vor Cops, Staat und Kapitalismus haben. Denn ich will keine Aufstände, ich will nichts anzünden, ich will nicht zurück schlagen. Ich will mit allen Menschen in Frieden leben. Ich will das wir alle Hippies sind. Aber das wird leider nicht passieren…

An anderer Stelle werden FLINTA*s2 oder BIPoCs3 unterdrückt, ausgegrenzt oder sogar ermordet. Ich bin davon nicht direkt betroffen, da ich weiß und mit männlichen Privilegien sozialisiert wurde, welches ich beides versuche abzulegen. Ich fühle mich aber bei diesen und anderen Themen verantwortlich und es erdrückt mich emotional jedes mal wenn diese Sachen mir begegnen. Ich will all das bekämpfen, das Patriarchat, den Antisemitismus und Rassismus zerschlagen. Die Grenzen einreißen. Die Jobcenter und Copsstationen in Wohnraum für Wohnungslose verwandeln…
Es ist schwierig, all diese Sachen sind schwierig, überall, aber auch in Lützerath. Denn es ist keineswegs so, als wäre Lützerath die Utopie, frei von all dem Scheiß der mich aus der konservativen Gesellschaft vertrieben hat. Ich bin geflüchtet aus meinem Leben dort und tue es jedes mal wieder wenn ich dann doch mal in die Stadt muss. Aber wohin flüchte ich?

Hier gibt es viele gute Prozesse, aber auch viele die nicht bedacht und nicht angegangen werden. Wir stecken fest, die Klimabewegung steht an einem wichtigem Punkt. Sie bezeichnet sich gerne als Klimagerechtigkeitsbewegung. Aber wo ist denn die Gerechtigkeit? Reicht es aus die Kämpfe die wir führen intersektional4 und global zu denken und hier und da mal eine Solidaritätsaktion für Menschen in Ländern, welche durch die Klimakrise sterben, zu machen?
Mal wieder einen sexistischen oder rassistischen Überriff aufzuarbeiten, dabei aber nicht die Ursache zu bekämpfen. FLINTA*s werden dann wieder traumatisiert. Die cis endo5 Männern verfallen dann in Selbstmitleid, machen dann mal barmherzig doch eine Reproschicht und ändern dann doch wieder nichts. Alles wie immer…
Oder wie sieht es mit dem sogenanntem „system change“ (deutsch: Systemwandel) aus? Reicht es aus wenn wir antikapitalistisch denken, Essen aus den Mülltonnen der Supermärkte retten oder hier und da mal was klauen, was wir sonst nicht kaufen könnten? Ich glaube nicht. Wir müssen uns von den Fesseln des Kapitalismus lösen. Dabei müssen wir zu aller erst anerkennen, dass wir den Klimawandel nicht aufhalten können, er ist schon da. Wir können nur alles dafür geben, dass es nicht schlimmer wird. (siehe readdesert.org) Danach müssen wir unsere antikapitalistische Denkweise auch anfangen in die Tat umzusetzen: Der Kapitalismus wird durch den Staat aufrecht erhalten. Sind wir also antistaatlich! Immer, überall und vor allem auch in Lützerath, denn der Kampf dort ist so wichtig und richtungweisend.

 

Und so kommen wir zum Thema. Immer wieder ersticke ich in Diskussionen in denen ich mir jedes mal aufs neue anhören muss warum es wichtig ist den laufenden Prozess der Anwohnenden aus Lützerath gewinnen zu müssen. Dafür muss alles getan werden. Schöne Pressefotos und sympathische Videos. Lützerath muss freundlich wirken und bürgernah erscheinen. Es darf auf keinen Fall aussehen als würden hier nur sogenannte Linksautonome leben die nur Krawall wollen. Weg mit den ACAT5 Bannern… Klar sind die Menschen hier für einen „system change“, die Meisten aber natürlich nur in einem passendem Rahmen bitte. Dieser soll nicht über Klagen, Petitionen, Demos, zivilem Ungehorsam oder dem „sich räumen lassen“ hinaus gehen. Das bedeutet also „system change“ heißt hier innerhalb der Möglichkeiten, die in einem Staat mit repräsentativer/repressiver Demokratie halt möglich sind, zu agieren? Und damit dieser Weg funktioniert wir alles versucht sich an dieses zerstörerische, unterdrückende System anzubiedern. Cops werden nicht weggeschickt sondern auf Kaffee eingeladen und die Barrikaden werden nicht geschlossen wenn Cops zum Quatschen kommen. Es wird versucht mit Klagen das schlimmste zu verhindern oder im aktuellen Fall eher zu verschieben; bitte lieber Staat mach das Dorf doch nicht kaputt, es ist doch so schön und wir müssen doch Klimaschutz machen…

Auf das Gericht zu hoffen, dass es uns „rettet“ ist ein Weg der immer, auf die eine oder andere Weise, in einer Sackgasse endet. Die Herrschenden6 werden uns immer nur so viel geben um uns ruhig zu stellen, dass wir mit dem Happen den sie uns geben zufrieden sind. Aber das System was all diese toxischen, tödlichen Probleme schafft und unsere Umwelt zerstört, wird sich immer versuchen am Leben zu halten und niemals aufhören mehr und mehr zu Profit machen zu wollen. Das System der Ausbeutung wird sich nicht selbst abschaffen.
Wie unsere Gefährt*innen aus Wuppertal/Osterholz schrieben7:

Aber hey, auch wenn wir die Bemühungen von Anwohner*innen begrüßen auf alle ebenen für den Erhalt vom Osterholz Wald zu kämpfen, wir halten eh nichts von ein Rechtssystem, das nur dazu da ist, den bestehende Verhältnisse zu zementieren.
Verhältnisse die, ohne Rücksicht auf Verluste, unsere Lebensgrundlage zerstören.“

Es wird uns niemals gelingen das herrschende System abzuschaffen, wenn wir es nicht schaffen uns von ihm zu lösen, wenn wir nicht aufhören mit ihm zu interagieren. Das bedeutet das wir nicht auf Gerichte warten oder den Staat um etwas bitten oder auf Politiker vertrauen können. Wir müssen unsere eigenen Strukturen schaffen und diese offensiv verteidigen.8 Wir müssen uns lösen von dem was uns immer wieder zurück zieht in unsere Sozialisierung der konservativen Gesellschaft. Lassen wir die Strukturen in den Städten, die uns immer wieder aufhalten, hinter uns, sie sind zu toxisch um eine revolutionäre, progressive Bewegung zu starten. Wir müssen uns von all den Diskriminierungen lösen und uns kritisch hinterfragen, reflektieren und weiter entwickeln.

So gern ich euch einen Leitfaden dafür geben würde. Es gibt ihn nicht und es wird ihn auch nie geben. Denn dieser Wandel, der uns von Staat, Kapitalismus und Unterdrückung befreit ist einer, den wir nur gemeinsam in einem Lernprozess begehen können. Wir werden dabei Streiten und uns intensiv austauschen müssen. Wir werden viel Kraft brauchen und dafür müssen wir solidarisch miteinander sein. Lasst uns also mutig sein, werfen wir alles was wir haben in den Topf und schauen was raus kommt, es kann nur besser werden als es jetzt ist. Umarmt euch!

Wagen wir den Schritt und scheißen auf Staat, Politik, Cops, Gerichte oder die sogenannte öffentliche Meinung. Sie werden uns nie helfen die Welt zu verändern, denn sie wollen ihre Macht und Profit um jeden Preis erhalten. Last uns nicht weiter zuschauen wie sie Tote in kauf nehmen… Machen wir Lützerath zu einer echten Grenze, die wir auch umsetzen können und zwar eine Grenze für das System Kapitalismus!

Heute wird einiges passieren im Dorf und das ist gut so. Und nein ich rede nicht von einer riesigen Struktur, die hochgezogen wird und auch nicht der Kram der auf der FFF Bühne passiert, vermeintliche Sprecher:innen einer Bewegung im glitzernden Kameralicht… Haut ab!

Nein ich mein was am anderen Ende dieser Straße passiert. Zu lange war der Hof neben dem Haus der Unbekannten in der Hand von RWE. In den letzten Tagen haben wir uns getroffen, geplant und geträumt: eine FLINTA*-Aktion braucht das Dorf war das Ergebnis. Und heute dann treffen sich verschiedene Teams an verschiedenen Stellen und werden sich den Hof nehmen, daran hab ich keinen Zweifel, denn wir sind Mutig und unsere Herzen schlagen im gleichen Takt zusammen. Wir werden klettern und rennen. Wir werden schnell und entschlossen sein. Ich freue mich schon auf die verdutzen Gesichter der Cops, wenn ein weiteres Haus besetzt wurde. Das Dorf gehört uns! RWE und Cops raus aus Lützerath!
Und wir haben hier noch viel mehr vor, das ist erst der Anfang, da bin ich mir sicher! Machen wir unsere Träume wahr…

Bijî berxwedana Lützerath !


i see that you are hurting i see that you’ve been beaten
i see they cut you deep into your very existence
if you need to take some time
if you need to get away
we can all work together to find somewhere warm and dry to stay
cause this will never be safe
and this will never be easy
and we will need to call our parents to let them know we’re still breathing
but if we hold each other near every step of the way
then maybe it’ll be better, maybe it will be better

so lets tell each other that we love them whenever we can
lets keep each other safe as we possibly can
be careful keep quiet most important of all
dont push the ones you love far enough for them to fall
cause when we fall we cant stick together
and we have to stick together
cistem failure released December 14, 2015

 

1) Kälte ist relativ. Wenn ich über Kälte rede ist diese nichts gegenüber dem was die Menschen an der polnisch-belarusischen Grenze durch machen. Ich kann und will mir nicht vorstellen was Kälte und das ewige frieren mit den Menschen dort macht.
Solidarität mit allen Menschen die aufgrund von Grenzen leiden. Alle Grenzen abschaffen!

2) FLINTA steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Menschen. Dies umfasst einen Großteil des vom Patriarchat unterdrückten und betroffenen Menschen. Diese Gruppen sind oft von toxisch (männlicher), geschlechtlich orientierteroder anderer Gewalt betroffen.
Informiert euch weiter über den umfassenden Sammelbegriff FLINTA, wir können hier keine umfassende Aufarbeitung dazu leisten. Checkt beispielweise: UNTER PALMEN oder AS:IM…

3) BIPoC steht für Black and Indigenous People of Colour, deutsch: Schwarze, Indigene und Menschen die nicht weiß sind und somit unter dem Rassismus der Gesellschaft leiden und an vielen Stellen, wie auch in der sogenannten linken Szene, massiv unterdrückt werden und starke Gewalt erfahren.

4) Intersektionalität ist ein Konzept von Kimberlé Crenshaw und bedeutet „sich überschneiden“. Es beschreibt wenn Menschen von verschiedenen Diskriminierungen betroffen sind. So sind Schwarze trans* Frauen zum Beispiel intersektional betroffen, weil sie von Sexismus, Trans*feindlichkeit und Rassismus betroffen sind, anstatt zum Beispiel nur von Sexismus.

5) cis geschlechtlich steht für Menschen, die sich mit dem, bei ihrer Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren. Endo-geschlechtlich ist das Gegenteil von inter-geschlechtlich und bedeutet, dass eine endo-geschlechtliche Person mit ihrem Körper in eine eindeutige medizinische Norm von männlich beziehungsweise weiblichen Körpern passt.

6) ACAT: all cops are targets (deutsch: alle Polizisten sind Ziele), wird als alternative zu ACAB genutzt, da das Wort Bastard einen christlichen und sexistischen Hintergrund hat. Siehe dazu: rotehilfegreifswald.blogsport.de/2012/12/13/warum-a-c-a-b-scheisse-ist/
ACAB: all cops are bastards (deutsch: alle Polizisten sind Bastarde)

7) Herrschenden sind in unsrem Verständnis Menschen die vom Kapitalismus profitieren und ihre Macht gegenüber anderen Menschen ausüben und diese ausbeuten, sowie Politiker die nicht für Menschen sondern für Lobby- und Privatinteressen agieren.

8) jederbaumzaehlt.noblogs.org/post/2022/01/11/vorbereitungen-auf-allen-seiten/

9) Leseempfehlung für alle, aber besonders für Menschen die sich auf Lützerath beziehen:
Wohin gehen wir und was wollen wir eigentlich? – Über die Klimabewegung und wo sie hin kommen kann
hausderunbekannten.blackblogs.org/2022/01/22/wohin-gehen-wir-und-was-wollen-wir-eigentlich/

 

Dem Staat und den Cops keine Macht geben: Warum wir vom Räumungsversuch sprechen müssen

Veröffentlicht von einer Einzelperson aus dem Anarchists in Lützerath Kollektiv. Zuerst veröffentlicht auf Indaymedia am 31.1.22

Cops und Aktivist:innen im Danni

(English version as PDF at the bottom. Write us per Mail if you want to translate the text to other languages.)

In Waldbesetzungen oder wie hier, im Kontext der Klimabewegung, in der Besetzung des Dorfes Lützerath wird immer wieder von DER Räumung gesprochen. In der Form, dass die Räumung ein Ereignis sei, welches nicht zu verhindern sei und sowieso passieren wird, außer irgendein Gericht, also der Staat, verschiebt die Zerstörung etwas. Wir gehen in die Besetzungen mit der Absicht am Ende geräumt zu werden, dabei physischen und mentalen Schaden zu erleiden. (1
Wenn wir aber in die Besetzungen schauen, dann können wir sehen, dass keine große Vorbereitung auf den Stress und die Gewalt einer Räumung, stattfindet. In den Besetzungen passiert mehr oder weniger immer das gleiche: zu hohe Ansprüche, falsche Prioritätensetzung, keine Achtsamkeit auf einander. Grenzen, Bedürfnisse und Ängste werden nicht beachtet und nicht thematisiert. Dadurch brennen die Menschen schon während ihrer Zeit in der Besetzung aus. Wenn dann die Cops mit all ihrer Technik und ihren Kapazitäten ankommen, gibt es keine Gegenwehr und die Menschen vor Ort denken meist gar nicht daran sich aktiv zu wehren. Dadurch gehen immer mehr Leute kaputt. Das führt momentan dazu, dass wir immer mehr Leute verlieren und diese nicht mehr in der Lage sind in der nächsten Besetzung zu leben, weil sie von der letzten traumatisiert sind.
Lasst uns daher vom Räumungsversuch sprechen und die Verhältnisse ändern!

 

Fangen wir an dem Staat und den Cops wenn sie uns angreifen nicht die Macht zugestehen welche sie sich selbst zu schreiben und wir ihnen bis jetzt gewähren. Wenn die Cops im Lützerath aufmarschieren und unser Zuhause, die Natur und das Dorf zerschlagen wollen, dann müssen wir anfangen uns zu wehren – „defend Lützerath“ (deutsch: verteidigt Lützerath) steht auf vielen Bannern. Lassen wir nicht zu, dass sie ohne Gegenwehr an unsere Strukturen und Häuser kommen, Menschen in Lock-Ons oder auf Baumhäusern misshandeln und in Gefängnisse sperren. Verlagern wir die Kämpfe um die Besetzungen weg von unseren Strukturen, auf das sie diese nie erreichen werden.
Wir müssen als Klimabewegung mit unseren Verbündeten weg kommen von dem „sich in den Weg stellen“ um zu protestieren. Wir müssen den Glauben daran verlieren, dass wenn wir nur viele sind, die sich in den Weg stellen, beim Staat ein Umdenken stattfindet. Der Staat wird uns immer als Gefahr und Feinde sehen. Jegliche Forderung an den Staat wird erlischen, in Spaltungen oder in einem schlechten Kompromiss enden.
Hören wir also auf mit dem Staat zu interagieren und wehren wir uns!

 

Die Cops haben zuletzt den Osterholz Wald angegriffen und geräumt. Und in einigen Wochen kommen sie nach Lützerath um uns anzugreifen, unsere Freiräume und Träume zu zerstören. Lassen wir den Osterholzwald die letzte Räumung sein. Fangen wir an jeden Angriff der Cops auf uns in einem gescheiterten Versuch uns zu räumen enden zu lassen. Geben wir ihnen nicht diese psychische Stärke über uns. Wenn wir anfangen vom Räumungsversuch zu sprechen, statt von der eh feststehenden Räumung, dann können wir einen Prozess starten, der uns ermöglicht die Verhältnisse neu zu analysieren und zu verändern.
Wir sind stärker als wir glauben. Wir müssen diese Stärke nur erst entdecken. Lasst uns dafür auch in andere Länder und andere ZADs (2 schauen. Wenn wir viele sind und uns mit allen Mitteln wehren hält uns nichts auf.
Unsere Freiräume werden wir verteidigen und neu aufbauen. Unsere Träume werden nur stärker mit jedem Angriff des Staates. Und unser Wille gemeinsam mit unseren Gefährt*innen zu revoltieren wird unaufhaltsam. Sie werden kommen und VERSUCHEN uns zu räumen, zu misshandeln, festzunehmen und einzusperren, egal was wir machen.
Sollen sie kommen, wir werden uns vorbereiten und ihnen nichts außer unseren Hass geben! Wir werden alles dafür tun, damit ihr Angriff scheitert und wir bleiben und weiter kämpfen können.
Sie sollen zitternd abziehen wenn sie mit ihrem Räumungsversuch gescheitert sind!

 

Bijî berxwedana Lützerath !

Anarchist:innen aus Lützerath, 31. Januar 2022

Text als PDF, deutsch: Räumungsversuch

Text as PDF, english: Räumungsversuch_en

1 Wohin gehen wir und was wollen wir eigentlich? – Über die Klimabewegung und wo sie hin kommen kann
https://hausderunbekannten.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/1876/2022/01/Wohin-gehen-wir-und-was-wollen-wir-eigentlich.pdf

2 ZAD: zone à défendre, französich: zu verteidigendes Gebiet

Wohin gehen wir und waswollen wir eigentlich? Über die Klimabewegung und wo sie hin kommen kann

(English version as PDF at the bottom. Write us per Mail if you want to translate the text to other languages.)

Ursprünglich am 31.12.21 veröffentlich auf Indymedia von Anarchist:innen aus Lützerath. Verbessert nach dem das Haus der Unbekannten auf einige grobe Fehler gemacht hat.

Die Schreibenden machen darauf aufmerksam, dass die Klimabewegung sich an vielen Stellen weiterentwickeln muss, dass neue Strategien und Mittel ausprobiert werden müssen, damit wir erfolgreich sein können:

Anfangen müssen wir bei uns selbst, egal ob in Lützerath oder an anderen Orten. Lasst uns herausfinden, wer wir sind, wer wir sein wollen und wo wir hin wollen. Lasst uns unsere Privilegien hinterfragen, solidarisch, aber konsequent. Lasst uns über unsere Diskriminierungen, die wir ausüben oder reproduzieren, sprechen und vergessen wir nicht, dabei uns selbst immer wieder zu kritisieren und gemeinsam einen solidarischen Weg zu gehen, um alle Diskriminierungen abzubauen. Wir wünschen uns, dass Lützerath, aber auch alle anderen Orte, einladender für alle Menschen werden, denn der Kampf um das Klima ist wie jeder andere soziale Kampf einer, den wir nur gemeinsam gewinnen können!

Auch plädieren sie für offensivere Verteidigung unserer Besetzungen:

Eine ZAD ist nach unserem
Verständnis eine autonome Zone, in der Staat, Cops und Kapitalismus keinen Einfluss mehr auf
unser Leben und Denken haben. Und das ist das Wichtigste und Größte, was wir uns in der
Klimakrise erarbeiten können – Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit.

Daher müssen wir unsere Strategien ändern und unsere Mittel radikalisieren. Schlagen wir zurück
und gehen in die Offensive. Lasst uns dabei aber nicht übermütig werden und darauf achten, dass
wir alle gesund und ohne Repression nach Hause kommen. Jedes nach den eigenen Kapazitäten und
Fähigkeiten!

 

Ihr findet den Text hier: https://hausderunbekannten.blackblogs.org/2022/01/22/wohin-gehen-wir-und-was-wollen-wir-eigentlich/

Oder als PDF auf deutsch: Wohin_gehen_wir_und_was_wollen_wir_eigentlich

oder auf englisch: Where-are-we-heading-to-and-what-do-we-actually-want_