Angriff auf Lützerath am 24.2.22 und was nun folgen muss

Dieser Text wurde von einzelnen Personen verfasst und spricht nicht für die ganze Besetzung und auch nicht für alle Anarchist*innen in Lützerath. In den letzten Tagen wurde von einigen Menschen Kritik gesammelt und an die Person/en weitergegeben, welche den Text geschrieben hat/haben. Die Personen die sich für den Text und den Blog verantwortlich fühlen haben die Kritik angenommen. Die Reflexion über problematische Stellen werden auf diesem Blog öffentlich gemacht werden. Trotz einigen Stellen mit denen einige Menschen sehr unzufrieden sind, bleibt der Text online, da es auch sichtbar gemacht werden muss, wenn Fehler gemacht werden.

 

Als PDF: deutsch, english comming soon

Triggerwarnung: Polizeigewalt, Verletzungen, Erwähnung von Hanau, Sexualisierte Gewal

Die Stimmung war entspannt in Lützerath. Mit einem Urteil zu dem Prozess der Anwohnenden war in den nächsten Tagen nicht zu rechnen. Das Gericht kündigte an, eine Entscheidung frühestens im März fällen zu können. Am Wochenende fegte ein Sturm durch das Rheinland, zerstörte hier und da etwas und wirbelte viel Unordnung auf. Eigentlich sympathisch. Es standen also viele Aufräum- und Reparaturarbeiten an; endlich konnten Menschen mal wieder raus in die Sonne.
Dazu kam noch, dass sich am Samstag der rechtsextreme Anschlag in Hanau zum zweiten mal jährte. (Solidarität mit allen BIPoC! – Feuer und Flamme dem rassistischem System!)

Es lagen viele Emotionen und Frust in den letzten Tagen in der Luft, Menschen versuchten zu regenerieren nach dem zähen Winter.

 

Viele blicken nach vorn und wollen die letzten Monate und ihre Belastungen zur Vergangenheit machen (Ja, wir meinen euch beide, ihr scheiß übergriffigen Macker! Wagt euch her und ihr werdet nirgendwo mehr hingehen!). Es wurden Prozesse angestoßen, wie die nächsten Wochen in Lützerath aussehen könnten und was wir hier schaffen wollen. Ein hoffnungsvoller Blick – auch für uns – wo wir doch viel zu kritisieren haben und oft in Pessimismus verfallen. Doch wir sollten von diesem sonnigen, (trotz Wind und Kälte) heißen Donnerstag aufgeweckt werden:

Einige Securitys kamen in den frühen Morgenstunden auf die grandiose Idee, ZWEI Spaziergänger*innen im Tagebauvorfeld1 festzusetzen. Diese hatten wohl dafür gesorgt, dass die zerstörerischste Maschine Deutschlands für ein paar Minuten stehen bleiben musste. Menschen waren schon dutzende Male im Tagebauvorfeld spazieren und nie hat es so einen Ärger produziert.
So riefen die Securitys dieses mal die Cops. Bis diese mit zwei Streifen ankamen, konnte eine der Personen, die festgehalten wurde, durch einige mutige Gefährt*innen befreit werden!

Sobald die weiteren Streifen da waren, gestaltete sich die Situation schwieriger und die Angst vor den Cops war für die meisten zu groß, um einen erneuten Versuch zu wagen. So wurde die gefangene Person emotional unterstützt und ihr die EA Nummer mitgeteilt. Immer mehr Menschen fanden sich auf dem Wall ein. Die Cops wurden nervöser und forderten – nachdem Steine auf ihre Autos flogen – wohl sehr panisch Unterstützung an: „Wir brauchen Unterstützung. Die bringen uns sonst hier um.“
Die Angst kann die Seite wechseln, das müssen wir uns immer wieder klar machen!

Derweil bauten Menschen überall, wo mehr Cops hätten kommen können, kleine Barrikaden auf. Dann tauchte nach 20 Minuten auch die angeforderte Unterstützung an der Bushaltestelle auf. Zwei dutzend Menschen stellten sich diesen in den Weg und deckten die ersten Wagen mit Steinen ein, sodass diese umdrehten, um sich umzuziehen und zu formieren. Wenige Minuten später kamen dann 30 Riot-Cops angefahren, die von den Aktivist*innen zuerst zurückgehalten wurden und die ein oder andere Flasche oder Steine kassierten. Erst als weitere Unterstützung kam und die Zahl der Cops auf etwa 70 anstieg, trauten sie sich, uns anzugreifen. Menschen verteilten sich hinter der Barrikaden, in den Bäumen und Büschen. Die Situation entspannte sich und an eine Befreiung der gefangenen Personen war jetzt nicht mehr zu denken, da diese von 20 Securitys und 30 Riot-Cops bewacht wurde.

Die Angst hat an diesem Tag die Seiten gewechselt – das macht uns Hoffnung und gibt uns Kraft für die kommenden Kämpfe. So waren die Cops in fast jeder Situation unsicher und trauten sich erst mit deutlicher Überzahl und massig Riot-Schildern Menschen anzugreifen. Und immer, wenn sie sich vor wagten, wehrten sich die Menschen, verbarrikadierten sich und warfen umliegende Sachen auf die Cops. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden vier weitere Personen gewaltsam festgenommen und mit in die Gesa2 genommen. Die meisten sind wieder frei, eine Person ist im Krankenhaus. Viel Kraft und Liebe für die nächsten Tage – ihr seid nicht allein!

Mittags war dann die Luft raus als immer mehr Einheiten ankamen und zwei Räumpanzer auftauchten. Die Überzahl der Cops hat uns dann gezwungen, zu pausieren und das Geschehen „nur“ noch kritisch zu beobachten. Dabei wurde den Cops klar gemacht, was für lächerliche Gestalten sie sind, wenn sie einen Räumpanzer brauchen, um zwei (!) Bauzäune aus dem Weg zu schaffen oder sie sich im Schlamm fest fahren.

Wir kümmerten uns umeinander und sammelten Energie, falls sie doch noch versuchen würden, in die Häuser oder auf das Camp zu kommen. Währenddessen machten sich die Cops daran, alle Barrikaden und einige Strukturen an den Ortseingängen zu zerstören. Dabei wurden sie von Klettercops, Technischen Einheiten, RWE und dem THW³ unterstützt. THW… wir haben den Danni nicht vergessen und wissen euch nun als Feind und Ziel!

Die Cops zogen gegen 16:00 ab. Dann konnten wir durchatmen, das Erlebte besprechen und verarbeiten. Es ist nun an der Zeit, aus diesem Tag zu lernen, unsere Strategie zu erneuern und die Barrikaden doppelt und dreifach so gut wieder aufzubauen. Dafür brauchen wir aber Material und Unterstützung – egal ob Snacks und Kuchen oder Zement und Stahl.

Wir wollen die ZAD Rheinland zur autonomen Zone machen, die wir verteidigen können. Auf dass die Cops sich nicht mehr hier rein trauen! Das schaffen wir gerade aber nicht alleine; wir haben viel emotionale Arbeit vor uns. Wir brauchen euch jetzt hier – eure Hände, euer Wissen und eure Herzen. Daher ist jetzt die Zeit. Wenn ihr könnt, kommt nach Lützerath – erzählt euren Freund*innen von dem Ort, seid teil der Revolution hier und lasst uns viele verschiedene Kämpfe hier verbinden. Lützerath ist anders, vielleicht mit einer strategisch ungünstigen Lage. Doch wir haben hier vier besetzte Häuser, eine Menge Strukturen und viele Leute, die das „Sich-räumen-lassen“ satt haben und wütend sind. Wir wollen endlich Kämpfe gewinnen. Auf dass die Angst die Seite dauerhaft wechselt und sie sich nicht her trauen!

From Lützerath to Hanau:

FIRE TO THE POLICE! NO JUSTICE – NO PEACE!

Solidarity greetings to our comrades in Russia and Ukraine! No war but classwar!

An dieser Stellen wollen wir explizit FLINTA*s und BIPoC einladen. Ihr seid hier herzlich willkommen und wir wollen die Kämpfe mit euch als Geschwister führen und miteinander leben!
PATRIARCHY, WE WILL CRUSH YOU BY THE THROAT!

Anarchist*innen aus Lützerath am Morgen des 25.2.22

¹ Bereich nahe der Abbruchkante des Tagebaus; „Eigentum“ von RWE; abgetrennt durch einen niedrigen Erdwall
² Gefangenensammelstelle, meist in Polizeiwachen
³ Technisches Hilfswerk